Hamlet in Hamburg, 1625.
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Und nun erzählt er, der König habe sich „geschwind" zum König von Dänemark in seiner Abwesenheit krönen lassen, „unter dem Schein des Rechtens aber hat er mir die Krone von Norwegen überlassen".
Für die zweite Scene, von der Rist berichtet, die Berathung des Königs mit dem Prinzen und mit seinen Rathen, „woher man den Sammt, Seiden, güldene Stücke" u. s. w. nehmen solle, findet sich allerdings im Original Shakespeares nichts, was hiermit in Zusammenhang stände, resp. keine Aeuße- rung, woran extemporirend, so wie Rist es schildert, hätte angeknüpst werden können.
Wohl aber in dem „Bestrasten Brudermord" der Carl'schen Truppe. Da heißt es (I. 7)i):
König: Obschon unseres Herrn Bruders Tod noch in frischem Gedüchtniß bei Jedermann ist und uns gebietet, alle Solennitäten einzustellen, werden wir doch anjetzo genöthiget, unsere schwarzen Trauerkleider in Carmosin, Purpur und Scharlach zu verändern, weil nunmehr meines seligen Herrn Bruders Hinterbliebene Wittwe unsere liedste Gemahlin geworden: drum erzeige sich ein Jeder freudig und mache sich unserer Lust theilhaftig.
Hier sehen wir also aus Rist's Erzählung, daß eine derartige, auf die Veränderung des Costümes bezügliche Variante schon von den Engländern in den Text der Ansprache des Königs hineingebracht worden sein muß.
Was schließlich die Scene mit den Comödianten betrifft, so erweist auch sie sich erst als Fragment aus Hamlet, wenn wir die deutsche Hamletredaction, den „Bestraften Brudermord" heranziehen. Wir sehen dann, daß die deutschen Comödianten gewisse vom Original abweichende Züge der Schauspielerscene schon von den Engländern überkommen hatten.
Im Original treten die Comödianten bekanntlich ohne Motivirung auf. Wenn es aber bei Rist heißt: „Wie der König abermahl nebenst dem Printzen und seinen sürnehmsten Herrn auf dem Theatro oder der Schaubühne sich befand, kahm ein Edelmann und gab ihrer königl. Majestät unterthänigst zu vernehmen, daß eine Compagnie Engelländischer Comoedianten wären kommen, welche nachdem sie verstanden hätten, daß ein hoch ansehnliches Beylager solte gehalten werden, unterthänigst bäten, ob ihnen nicht müchte erlaubet sehn etliche schöne Comoedien und Tragoedien aufs demselben zu spielen", so ist das offenbar das Vorbild für die Art, wie der deutsche Prinzipal Carl im „Bestraften Brudermord" (II. 7)2) sein Erscheinen motivirt:
„Ew. Hoheiten wollen uns in Gnaden verzeihen, wir sind fremde hochteutsche Comödianten und hätten gewünscht, das Glück zu haben auf Jhro Majestät des Königs Beylager zu agiren, allein das Glück hat uns den Rücken, der contrüre Wind aber das Gesichte zugekehret, ersuchen also an Ihre Hoheiten, ob wir nicht noch eine Historie vorstellen könnten, damit wir unsere weite Reise nicht umsonst möchten gethan haben."
Freilich was nun folgt, der Wuthausbruch des Königs, die Schmährede auf die Schauspieler, davon steht ebenso wenig in der deutschen Bearbeitung, wie von der Verhöhnung der Hamburger. Im Gegentheil, im „Bestraften Brudermord" gipfelt die Comödiantenscene schließlich in einer Verherrlichung des
Bei Creizenach S. 158.
2) Bei Creizenach S. 162 s.
Deutschs Rundschau. XVIII, 6.