Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

Schauspielerstandes, die Hamlet in den Mund gelegt wird. Allein diese beiden Ergüsse sollen ja auch nach Rist üoe extemporirt worden sein.

Aus Allem aber geht unzweifelhaft hervor, daß wir es hier thatsächlich mit dem Bericht über eine Hamlet-Aufführung zu thun haben, der allerdings aus stark getrübter Erinnerung geflossen ist, von dem aber jeder einzelne Zug auch in dieser Entstellung mit Lessing zu reden bezeugt:Ich bin Shakespeares."

Ferner erkennen wir hieraus deutlich, daß schon die Engländer sich nicht nur bei der schriftlichen Bühnenredaction mit dem Texte große Freiheiten er­laubten, sondern daß sie auch ganz ohne jede Rücksicht auf den Zusammenhang, unkünstlerisch und roh. extemporirte Scenen vom Zaune brachen, um dem niedrigen Geschmack des Pöbels zu schmeicheln.

Denn, so vieles sich auch im Laufe der Jahre in Rist's Gedächtniß ver­wischt hatte, darin hat es ihn sicher nicht getäuscht, daß in jener Vorstellung die Schauspieler ox tempore erst ihr Publicum und dann sich selbst verspottet haben.

Mit dem Spott aus den Dänenkönig verhält es sich allerdings anders. Hier macht Rist's Erzählung den Eindruck, daß das, was Rist als eine extemporirte Bosheit gegen die dänische Majestät auffaßte, thatsächlich der richtige Text war, der dann allerdings von dem deutschen Publicum schadenfroh, beziehungsvoll auf die lebendige dänische Majestät angewandt wurde. Und das bringt mich auf den letzten Punkt meiner Erörterungen, die Frage, wo und wann diese Vorstellung stattgefunden.

Rist bezeichnet die Stadt, wie wir gesehen, nicht mit Namen; aber es unterliegt, nach seiner Sprachgewohnheit, keinem Zweifel, daß er Hamburg meint. Nun wissen wir aber, daß König Christian im Frühling 1625 H, auf dem Heerzug gegen Tilly in Steinburg, wenige Meilen von Hamburg, lagerte; daß damals in Hamburg selbst viele dänische Officiere sich aufhielten und daß die Beziehungen des Königs zu Hamburg sehr gespannt waren. Eine gewitterschwüle Atmosphäre, die die Ereignisse bei jener Vorstellung noch in einem besonderen Lichte erscheinen läßt.

Damit hätten wir als Jahr dieser Hamlet-Aufführung 1625, als Ort Hamburg festgestellt, und damit zugleich die erste Hamlet-Aufführung auf deutschem Boden denn die früheste, von der wir bisher wußten, fällt erst ins folgende Jahr in Dresden gerade für die Stadt nachgewiesen, von der fast genau hundertundfünfzig Jahre später, unter Schröder's Aegide, eben derselbe Hamlet seinen Siegeszug über die deutschen Bühnen angetreten hat.

i) Nach Opel, der niedersüchsisch-dnnische Krieg II. S. 166: Ende Mai und Anfang Juni.