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Deutsche Rundschau.
Nicht von Grund aus neue Verhältnisse konnte sie schaffen beim Beginne ihrer Thätigkeit; dazu hätten auch die Kräfte in keiner Beziehung ausgereicht. Sie mußte anknüpfen an das, was die Vergangenheit ihr überlieferte als geschichtlich Gewordenes, und sortarbeiten an der Weiterentwickelung.
lieber einen Mangel an gesetzlichen Handhaben hätte sich die neue Verwaltung nicht beklagen können. Die noch nicht einmal vollständige Zusammenstellung der Gesetze der vorhergegangenen Regierungen, betreffend die Erhaltung der Kunstwerke, füllt ein stattliches Bändchen; sie gibt ein lebendiges Bild der Geschichte der Kunstliebe und des Kunstverständnisses in Italien. Vom Breve Pius' II. vom 28. April 1462, dem ersten Gesetze, das zur Erhaltung der Kunstdenkmäler gegeben worden ist, bis zum ersten Gesetze des neuen Italien, von Victor Emanuel II. 1860 in Florenz erlassen — vierhundert Jahre italienischer Kunst- und Sittengeschichte!
Langsam, in heftigem Kampfe mit Unverstand und Eigennutz, brach sich zuerst in Rom der Gedanke Bahn, durch die Kraft der Gesetze der fortschreitenden Vernichtung der theuren Reste des Alterthums Einhalt zu thun. Den Klageliedern der Humanisten traten bald Bullen von Päpsten helfend zur Seite, freilich ohne wesentlich größere Wirkung zu erzielen. Selbst .... die Päpste, welche Liebe und Verständniß für die antike Kunst hegten, selbst Nicolaus V., Pius II., Sixtus IV., letztere sogar im Widerspruch mit dem Sinne ihrer eigenen Gesetze, trugen kein Bedenken, die Baureste des alten Rom nach wie vor als einen billigen Steinbruch zu betrachten, während sich die Paläste der Nepoten und einheimischer und fremder Fürsten mit Kunstwerken füllten. — Das berühmte Breve Leo's X. vom 27. August 1515 und die Bestrebungen Raffael's schienen endlich die Träume der Enthusiasten der Frührenaissance zur Wirklichkeit machen zu sollen.
Handelte es sich in diesen Gesetzen lediglich um die Erhaltung der antiken Bauwerke aus öffentlichen Plätzen, um die Erhaltung des Gefundenen, konnte hier nur die Beschränkung des Rechtes der Veranstaltung von Ausgrabungen und des Besitzes des Gefundenen in gewissem Sinne einen Eingriff in den künstlerischen Privatbesitz bedeuten, so stellte sich schon nach weniger als hundert Jahren die Nothwendigkeit heraus, auch den modernen Kunstwerken, auch denen im Besitz Privater den Schutz der Gesetze angedeihen zu lassen: Im Jahre 1571 wurde in Toscana ein Gesetz erlassen, welches den Besitzern der Paläste die Erhaltung der Wappen, Devisen w. der Erbauer derselben zur Pflicht machte; 1602 folgte ein Gesetz, das die Ausfuhr der Gemälde von achtzehn bestimmten berühmten Meistern, denen 1610 Perugino als neunzehnter hinzu- gesügt wurde, verbot. Die päpstliche Regierung that endlich, 1624, den entscheidenden Schritt durch den Erlaß eines Gesetzes, das ganz allgemein die Ausfuhr antiker und moderner Kunstwerke ohne vorherige Liceuz untersagte.
Von da an folgte ein Gesetz dem anderen, Gesetze, die nur die Wirkungslosigkeit ihrer Vorgänger constatirten, ohne wesentlich neue Gedanken auszusprechen, und die endlich in den berühmten Edicten des Cardinals Pacca vom 8. März 1819 und vom 7. April 1820 ihren Abschluß fanden. Diese Gesetze, die, obwohl sie noch heute für Rom Geltung haben, doch mehr berühmt oder berüchtigt als gekannt sind, zeugen von einem seinen Verständniß für die Kunst und ihre Geschichte. Sie gipfeln in folgenden Bestimmungen: Die Ausfuhr von Kunstwerken ohne besondere Erlaubniß ist verboten. Eine Sachverständigen-Commission hat eine Inventarisation aller wichtigen Kunstwerke vorzunehmen und die Controle zu führen über ihr Vorhandensein und über den Zustand ihrer Erhaltung. Sie hat ihr Gutachten abzugeben, ob ein bestimmtes Kunstwerk exportirt werden dürfe oder nicht. Kunstwerke von hoher künstlerischer oder historischer Bedeutung dürfen überhaupt nicht exportirt werden; für die Ausfuhr derjenigen antiken Kunstwerke, die die Licenz erhalten haben, ist eine Steuer von 200/o des Werthes zu entrichten. — Moderne Kunstwerke lebender Künstler unterliegen keiner Steuer. Es ist verboten, ohne Erlaubniß Ausgrabungen zu veranstalten. Von den Funden ist sofortige Anzeige zu erstatten. Es ist verboten, ohne Erlaubniß Veränderungen an Kunstwerken vorzunehmen (besonders Restaurationen) oder dieselben zu beschädigen. —