Heft 
(1879) 27
Seite
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Grete Minde. - 2H>5

Diese zog ihre rothe Drapirung nur noch fester um ihre Schultern und schwieg in königlicher Würde weiter.

Un hebben sifteig'n Nonnen dato! Wahrhaftig, Wirth, das habt Ihr gut gemacht, sehr gut. Ihr könnt't uns die Stücke schreiben. Was meinst, Nazerl, wir haben schon schlechtere gehabt! Aber singen wir; Du singst vor, Mntthes." Und der Angeredete, der seinem starr und aufrecht stehenden rothen Haare, vor allem aber seinen linsengroßen Sommersprossen nach der einzig Plattdeutsche von der Gesellschaft zu sein schien, intonirte mit heiserer Stimme: Kaiser Karolns sien bestet Peerd."

Nicht doch, nicht doch," fuhr der mit der Narbe dazwischen,das kann Zenobia nicht hören; das singen ja die Knechte. Sing' Du, Hinterlachr. Aber was Fein's und Zierlich's." Und Hinterlachr sang:

Zu Bacharach am Rheine Da hat mir's wohlgethan,

Die Wirthin war so feine,

So feine,

Und als wir ganz alleine ...

Ach dummes Zeug. Immer Weiber und Weiber. Aber sie denken nicht dran; und am wenigsten, was eine richtige Wirthin ist. Sie lachen Dich aus. Nazerl, mach' Du Dein' Sach'. Aber nichts von den Weibern; hörst Du. Halt Dich an das!" Und dabei schob er ihm eine frische Kanne zu, die der Wirkt) eben herein gebracht hatte.

Und Nazerl hob an:

Der liebste Buhle, den ich Hab',

Der liegt beim Wirth nn Keller,

Er hat ein hölzins Röcklein an Und heißet Muskateller:

Hab' manche Nacht mit ihm verbracht,

Er hat mich immer glücklich 'macht, glücklich 'macht,

Und lehrt mich lustig singen."

Das ist recht. Der liebste Buhle, den ich Hab' . . . das gefallt mir. Der Natzi hat's getroffen. Was meinst, Zenobia?" Und alle wieder­holten den Vers und stießen mit ihren Kannen und Bechern zusammen.

Ihr müßt nicht so lärmen," sagte jetzt der, der nnt ,Bacharach am Rheinck so wenig dnrchgedrungen war.Er liegt grad' über uns, und ich glaub', er macht es nicht lange mehr."

Zenobia nickte.

So ging's unten her. Ueber ihnen aber, auf einer Schütte Stroh, drüber ein Laken gebreitet war, lag ein Kranker, ein Kissen unterm Kops und mit eilt Paar Kleidungsstücken zugedeckt. Neben ihm, auf einem Fuß­schemel, saß eine junge Frau, blaß und fremd, und hielt mit ihrer Rechten den Henkel eines als Wiege dienenden Korbes, mit ihrer Linken die Hand des