Johannes Länder in München.
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überzeugt ist, desto abwehreuder wird er sich zu jenen Berichten stellen, die ihm wie die Delirien eines Fieberkranken klingen, und so ist die Scheu unserer Naturforscher, diesen Dingen auch nur eine Untersuchung zu widmen, wohl begreiflich; denn jede Vornahme einer solchen verriethe ja schon einen Zweifel an der mechanischen Naturerklärung und insoferne mindestens eine unwissenschaftliche Anwandlung. Vielleicht aber ist dieser Glaube an eine ausschließlich mechanische Weltverfassung auch nur Aberglaube, über den die Naturforschung, sobald sie zu einer letzen Erklärung alles mechanischen Geschehens sich anschickt, selber hinausschreiten muß.
Es war im März 1853, als Dr. Andree in Bremen die Leser der Augsburger Allgemeinen Zeitung mit der wunderlichen Nachricht überraschte, daß, wie er selbst beobachtet habe, durch lockeres Auflegen von Händen, welche zu einer Kette sich zusammenschließen, die schwersten Tische in eine rotirende und fortschreitende Bewegung versetzt werden können. Alle Welt lachte und spottete über diese Nachricht, und vr. Andree selbst scheint sich über die Aufnahme derselben keiner Täuschung hingegeben zu haben, da er seine Mittheilung mit den Worten schloß:
„Hier ist Stoff für Ernste und Lustige, für die Faeultäten, wie für die Fliegenden Blätter und den Kladderadatsch." Aber die Neugierde war einmal erregt und in wenigen Wochen grassirte in Deutschland eine wahre Epidemie der Tischrückerei, der nicht bloß ungebildete und abergläubische Personen, sondern selbst gelehrte Häupter zum Opfer fielen. Schon am 11. April tanzte die Juristenfacultät von Heidelberg in der Wohnung des Herrn v. Mohl mit einem wie rasend gewordenen Tisch herum. Vergeblich, daß Alexander v. Humboldt mit einer mechanischen Erklärung des Phänomens das Interesse an der Sache zu erdrücken suchte, und daß Schubert die Frommen vor diesem neuen Teuselsspuk warnte; weder die Köpfe, noch die Tische kamen in Ruhe und mehr als Einer wiederholte dem Unglauben der Naturwissenschaft gegenüber Galilells berühmtes Wort: „bi pur si ruuovs."
Justinus Kerner, damals die erste Autorität auf dem sogenannten Nachtgebiete der Natur,' wußte sogleich aus dem reichen Schatze seiner Erfahrungen und Forschungen nachzuweisen, daß die ganze Erscheinung eine alte, längst beobachtete Thatsache sei; doch verwarf er die Schwärmerei jener, welche, wie das bereits in Nordamerika zu einem verbreiteten Glauben geworden war, durch die sich bewegenden Tische Manifestationen abgeschiedener Seelen erhalten wollten. Er bezeichnete das Agens bei diesen Vorkommnissen als ein dem menschlichen Organismus innewohnendes elektro-magnetisches Fluidum, als eine subtile imponderable Materie von einer viel größeren Kraft als Elektricität, Galvanismus und Magnetismus, welche die Seele unmittelbar umkleide, und mit dessen Hilfe sie in die Ferne und aus die gröbere Stoffwelt zu wirken, insbesondere auch die Schwere in den Körpern aufzuheben vermöge. Ein solches Agens hatten bereits Ritter, Kiefer, Eschenmayer u. A. postulirt und ihnen gesellte sich Reichenbach mit seiner Odlehre bei. —