Heft 
(1879) 27
Seite
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Moderne Magie.

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Was in Deutschland der Autorität der Wissenschaften nicht gelang, näm­lich die Epidemie der Tischorakel zu bewältigen, das that von selbst die Zeit, welche das Interesse an der Sache abstumpfte und bald mit neuen Merkwürdig­keiten die Köpfe beschäftigte. Nur sporadisch und in verborgenen Kreisen lebte hier die neu aufgefundene magische Kraft noch fort, des Seltsamen mancherlei fördernd, was wenigstens für den Psychologen nicht uninteressant war. Einen andern Verlauf nahmen diese Dinge in Nordamerika, in England und Frank­reich. Namentlich in dem Ersteren. dem Mutterboden dieses ganzen Mysticis- mus, wuchsen sie sich zu einer Bewegung und Richtung des öffentlichen Geistes aus. die in Volksversammlungen und in den Schulen vom Katheder herab das Wort ergreift, fowohl in einer periodischen Presse wie in einer fast unab­sehbaren abenteuerlichen Literatur Propaganda macht, sich zu einer Doctrin. die zum Theil mit den radicalsten Tendenzen der Zeit sich berührt, ausge­staltet und Millionen von Anhängern und Trägern bis setzt gesunden hat. Hepworth Dixon meinte in seinem vor etwa 12 Jahren erschienenen Buch Neu-Amerika" drei Millionen nordamerikanischer Spiritualisten rechnen zu dürfen, worunter er scharfsinnige Advocaten. tapfere Soldaten und anerkannt tüchtige Schriftsteller und Gelehrte entdeckte.Diese Millionen Spiritualisten". schreibt er.verkünden es als ihre persönliche Ueberzeuguug, daß die alten religiösen Evangelien erschöpft, daß die daraus gegründeten Kirchen todt sind, daß die Menschen neuer Offenbarungen bedürfen. Sie behaupten, daß die Erscheinungen, welche jetzt in hundert amerikanischen Städten eingeführt werden Zeichen wunderbarer Art: das Klopfen durch unbekannte Medien, das Zeichnen von unsichtbaren Händen. Erscheinungen, welche gewöhnlich in verdunkelten Zimmern und unter den Tischen von Damen zur Darstellung gebracht werden einen annehmbaren Grundplan für einen neuen, wahren und endlichen Glauben an unsichtbare Dinge darbieten. Sie haben bereits ihre Lyceen, ihre Katechismen, ihre Zeitungen, ihre Propheten und Pro­phetinnen. Medien und Hellseher, ihren Sonntagsgottesdienst, ihre Feste, ihre Picknickpartien, ihre Lagerversammlungen, ihre localen Gesellschaften, ihre Staatseinrichtungen, ihre allgemeinen Conferenzen. kurz, die ganze Maschinerie unserer thätigsten und blühendsten Gesellschaften."

Ein solcher Aufschwung des Spiritismus in dem classischen Lande der religiösen Sectirerei begreift sich leicht; schon die Quäker, welche das in Jedem sich verkündende Gotteswort gegenüber der Bibel und jeder kirchlichen Satzung betonten und demnach das Individuum auf seine eigenen Inspirationen und Reflexionen in Sachen der religiösen Wahrheit hinwiesen, brachten bei ihrer Ansiedlung im Gebiet des Delaware den Impuls zum Propheten- und Seher­thum mit. und es läßt sich durch das Mittelglied der Methodisten bis zu den daraus hervorgehenden Shakern, die das innere Licht am meisten cultivirten, in der Union eine Reihe von religiös-mystischen Gründungen verfolgen, deren neuester und letzter Ausläufer der Spiritismus ist. Besonders auch Frauen wirkten hier maßgebend ein, und ohne Zweifel ist Nordamerika's moderner