Heft 
(1879) 27
Seite
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Johannes Huber in München.

der von den Vorfahren erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten abznleiten. Sie spricht von Ideen, die aus der Errungenschaft der Vorfahren den Nach­kommen angeboren werden und in diesen entweder latent bleiben oder ins Bewußtsein aufsteigen. Könnte nicht auf solche Weise in jedem Menschen ein allgemeines Wissen schlafen, das bei außerordentlichen Zuständen des Seelenlebens, wo dasselbe wie im magnetischen Schlaf gleichsam in seine eigene Tiefe eingekehrt und darin versinkt, in Traumvisionen ausbricht? Ja, wie wäre denn ein Verstehen der Natur, welches sich noch nicht mit dem bloßen Anschauen derselben deckt, begreiflich, wenn nicht aus dem Innern des Geistes selbst heraus ein Licht auf sie strahlte? Dieses Wissen als Ver­erbung aus den Anschauungen der Vorfahren wäre an die Schranke dieser Anschauungen gebunden und keineswegs ein irrthumloses und, da es nicht in der Form besonnener und klarer Reflexion, sondern als Vision sich einstellt, würde es schon dadurch eine phantastische Trübung in sich tragen. Do. Lyon fügt seinem Berichte über Davis noch folgende Mittheilung hinzu:Einer

der erstaunlichsten Züge dieser sonderbaren Erscheinungen war der Eontrast, der sich täglich zwischen dem gewöhnlichen und dem hellsehenden Zustande meines Subjects offenbarte. Gewöhnlich war er knabenhaft heiter und nicht im Mindesten zum Studium oder Nachdenken geneigt. Er hätte nicht einen einzigen englischen Satz construiren können, um damit sein Leben zu retten; und in der Unterhaltung gebrauchte er seine Muttersprache höchst unrichtig. Wenn er aus seiner Verzückung erwachte, konnte er nicht begreifen, daß diese Vorlesungen von seinen Lippen kamen und, wenn sie vorgelesen wurden, konnte er sie anfangs gar nicht verstehen. Im Gegentheil, er wollte häufig in seiner- drolligen heiteren Weise über die wissenschaftlichen Worte und abgerundeten Sätze Zweifel erheben und fragen, was die sonderbar klingenden Worte bedeuten. Einige Augenblicke genügten, um ihn durch den Proceß der Maguetisation aus einem unwissenden, gedankenlosen, lustigen und freundlichen Burschen in einen großherzigen, weiser:, ernsten und würdigen Philosophen zu verwandeln, dem die Natur scheinbar ihre tiefsten Verborgenheiten entschleierte und ihre merkwürdigsten Geheimnisse enthüllte." Der Vorgang erregte große Sensation, Tausende begehrten Zutritt zu den Vorlesungen des Schusterlehrlings, die Journale begannen die seltsame Erscheinung zu besprechen, und bald hatte sich eine große Gemeinde von Gläubigen gebildet, die in Davis einen neuen Propheten bewunderten, der nicht nur die Nacht der Anfänge des Weltprocesses, sondern auch die Zukunft der menschlichen Geschichte und die über das irdische Leben hinausschreitenden Entwickelungen des individuellen Menschengeistes zu erhellen im Stande wäre. Wer das Buch von Davis liest, wird solche Glaubensüberschwänglichkeit nur belächeln können; denn er entdeckt darin nur Weniges, was nicht in der Literatur schon ausgesprochen worden wäre, dieses Wenige aber ist gerade das Werthloseste.

Davis kündigt sein Werk geradezu als Offenbarung an, deren Wahrheit an dem Zeugniß der Natur erprobt werden möge. Er feiert dann das