Heft 
(1879) 27
Seite
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Johannes Inder in München.

Natur, bis zu den unmittelbaren thierischen Vorfahren des Menschen, wird erzählt und ein Zusammenhang zwischen den mindesten und den höchsten Gebilden statuirt. Da indeß Davis ein formendes Prineip eingesührt hat, so kann er den Fortschritt der Organisationen nicht im Geiste der Descendenz- lehre von Darwin denken, sondern er leitet ihn einerseits aus der Einwirkung jenes Princips auf die Materie und andererseits aus der Rückwirkung der gegebenen äußeren Umstände auf dasselbe und aus die bereits bestehenden Formen ab. Die organischen Formen sind ihm Gedanken der Natur, wie

die Gedanken Formen des Geistes sind.

Es folgt nun die Beschreibung der ersten Menschen und ihres Aufenthalts, die Darstellung des Ursprungs der Sprache, die zuerst Geberdensprache gewesen und erst allmälig zur Tonsprache sich ausgebildet habe und wovon die letztere, weil sie die Gedanken noch nicht bestimmt habe ausdrücken können, die Quelle aller Mißverständnisse, Uneinigkeiten und Uebel unter den Menschen geworden sei. Wir begegnen allgemeinen Bemerkungen über die älteste und alte Geschichte, über die Scheidung und Wanderungen der Völker, über die großen Katastrophen, welche die Erdoberfläche durch Erdbeben und Ueber- schwemmungen umgestalteten, und über die Entstehung und Entwickelung des religiösen Bewußtseins. Mit Vorliebe verweilt Davis bei der Besprechung des Judenthums und Christenthums und ihren heiligen Literaturen und erweist hier einen beiden Religionssormen abgeneigten, ihren Lehren und ihrem Cultus widersprechenden Geist. Die seltsamsten, oft an die Resultate der modernen Kritik erinnernden Conjecturen über den Ursprung der biblischen Schriften werden vorgebracht und deren Wundererzählungen richtig zu stellen, oder natürlich zu erklären versucht. Jrrthümer und Widersprüche tauchen in diesen Erörterungen aus, deren Tendenz offensichtlich dahin geht, die Autorität der biblischen Schriften, namentlich im Punete der Lehren, zu erschüttern. Vor Allem wird die kirchliche Christologie bekämpft und das Leben Jesu, als ein ganz natürlicher Verlauf mit Abstreifung alles Wunderbaren dargestellt. Nicht minder werden die theologischen Vorstellungen von der Erlösungsmission Jesu abgelehnt und weitere Grundlehren der kirchlichen Dogmatik kritisirt. Jesus steht Davis aus derselben Rangstufe, wie die Stifter anderer Religionen, wie Confucius, Muhamed, Swedenborg, ja wie Holbach und Charles Fourier. Letzterer erscheint ihm sogar als der Größte unter allen und er feiert ihn darum auch mit überschwänglichem Lob.

Davis bezeichnet den Menschen als den Gipfel der Schöpfung und zwar sowohl nach seiner physischen, wie nach seiner psychischen Seite. Nicht der Körper erschaffe und entwickele den Geist, sondern zuerst werde der Geist organisirt und individualisirt und er entfalte erst den Leib als Werkzeug seiner Erscheinung nach Außen. In kurzen Zügen wird eine Psychologie vorgetragen und dabei die Freiheit des Willens nachdrücklichst betont. Im Tode aber sieht Davis den Befreiungsproceß des Geistes von der gröberen Leiblichkeit, den Höhepunkt des irdischen Daseins, zu welchen die einzelnen Lebensalter