332
Johannes Länder in München.
die Lippen der Kaiserin. Home's Gegner erklärten später die ganze Geschichte sür erfunden, Home aber beruft sich zum Erweis der Wahrheit auf die That- sache, daß er den Vorgang viele Jahre vor dem Tode Napoleons III. bekannt gemacht und dieser sie nicht dementirt habe. Aehnliches soll Kaiser Wilhelm bei einer Sitzung mit Home in Baden-Baden erlebt haben, wo sich ihm die rechte Hand des Kaisers Nikolaus mit den Ringen, die dieser daran zu tragen pflegte, gezeigt hätte. Im Jahre 1857 war Home in Rom zur katholischen Kirche übergetreten. Als ihn Pius IX. gläubig vor seinen Füßen knieen sah, reichte er ihm das Crucifix mit den Worten zum Kusse: „Dies ist unser
Zauberstab." —
Napoleon III. war theils aus eigener Jnclination des Gemüths theils aus socialpolitischen Erwägungen ein Gönner des Spiritismus. Er hielt dafür, daß derselbe den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele wieder stützen und insoferne gerade für die Beruhigung und Niederhaltung der proletarischen Bevölkerung sehr nützlich wirken könne. Seit Mesmers und Puysegur's Auftreten waren in Paris und Frankreich die magnetischen Cirkel nicht mehr ansgestorben; besonders der Adel und die vornehme Welt beschäftigte sich gerne mit den Wundern der Somnambulismus. Die neue Magie des Spiritismus, welche die letzteren nur sortsetzte und steigerte, fand daher auch hier ein sehr empfängliches Publicum. Vor allen: aber waren es der Baron Güldenstubbe und der Pädagog Hippolyt Rivail, eine düstere bretonische Natur, die sich mit größtem Eifer der räthselhaften Sache Hingaben, sie methodisch und experimentell cultivirten und schließlich zu einem religiös-philosophischen System fortbildeten. Güldenstnbbe schrieb eine „Positive Pneumatolvgie", worin er seine Entdeckung der directen Geisterschrift, die er in mehr als 2000 Versuchen und vor mehr als 250 Zeugen, unter denen sich die besten Namen der französischen Gelehrten- und Schriftstellerwelt sowie auch andere Personen von Distinction befanden, constatirt haben will, zur Mittheilung bringt. Vor aller Augen und zwar auf einem Papier, welches, uni den Verdacht einer vorgäugigen chemischen Präparation auszuschließen, jeder Beobachter selbst mitbringen konnte, sollen Aufzeichnungen entstanden sein, welche nach Form wie nach Inhalt entweder von verstorbenen Verwandten und Freunden der Anwesenden oder von den Geistern, die sich in der Unterschrift namhaft machten, herzurühren schienen. Unter anderen wurde iu Trianon auch eine Schrift von Marie Antoinette erhalten, deren Identität mit deu Zügen, die die Königin im Leben schrieb, dadurch festgestellt wurde, daß mau dieselbe mit ihren Unterschriften verglich, welche noch in ein paar Befehlen sür die Ausführung von Gobelinstapeten aufbewahrt worden sind. Doch der größere Mystagoge und Prophet des Spiritismus in Paris war Hippolyt Rivail, unter dein Pseudonym Allan Kardec bekannt. Er gründete eine eigene Schule und Secte, in der die unheimliche Kunst der Nekromautie methodisch und technisch gepflegt wird und zu welcher sich nicht etwa nur geistesbeschräukte und düstere, sondern auch gebildete, im Leben sonst kritische, heitere und