Issue 
(1879) 27
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36H - L. Abel in Berlin. -

Analogie der Erscheinungen, welche auf eine Analogie der Geschichte weist. Mit der Fülle der unzweifelhaften ägyptischen Homonymien vor uns, wird man sich nicht ferner abzumühen brauchen, gewisse vieldeutige Verben des Sanskrit, Arabischen und Ebräischen auf angebliche centrale Grundbedeutungen zurückzuführen, die wohl der Professor, nicht aber der Urmensch erdenken oder verstehen konntech. Mit den: wilden Gestrüpp der altägyptischen Synonymik vor Augen, wird man fernerhin zwei ähulichbedeutende Worte nicht nothwendiger- weise in jeder Periode als zwei verschiedene Nüancen einer Bedeutung anzusehen haben. Es ist eben in einer Zeit, in der man den Plan der Pflanzung noch nicht übersah, mehr gewachsen, als nachmals gebraucht wurde; und nicht überall hat man nachmals sorgfältig gerodet. Die Aehnlichkeit der Anfänge in verschiedenen Sprachen zieht aber eine grundsätzliche Aehnlichkeit der Ent­wickelung nach sich, obschon sowohl das Lautgefühl, das einem Lautcomplex gewisse Bedeutungen zueignete, als die Mittel der späteren Differenzirung mehr oder weniger andere gewesen sein können, und in Wirklichkeit auch gewesen sind.

Damit ist die Frage, warum gewisse Begriffe durch gewisse Laute oder Lautcomplexe ausgedrückt werden, warum der Mann Mann und die Frau Frau heißt, anstatt daß der Mann Frau und die Frau Mann genannt wird, von der Sprachschöpfung getrennt und in eine verhältnißmäßig späte Periode gerückt. Damit ergiebt sich, daß unter den vielen Worten, die von ver­schiedenen Menschen und Geschlechtern zuerst tentativ für Mann und Frau erfunden worden sind, anhaltend gewählt wurde, bis die dem Sprachgehör der Nation am geeignetsten erscheinenden allgemeine Anerkennung erhielten, und die anderen, unnöthig geworden und verworfen, abstarben und in Ver­gessenheit geriethen. Wie weit sich die ungesiebte Wörterfülle der ersten, willkürlicheren Periode schon innerhalb eines nationalbeschränkten Sprach­gefühls gehalten, und dadurch ebenso im Aegyptischen, wie in jedem anderen Völkerstamme eine eigenthümliche gewesen sei, läßt sich bei dem Mangel aller Zeugnisse aus jener fernsten Urzeit nicht untersuchen. Genug, daß das Sprach­gefühl, selbst wenn es vom ersten Anfang an stammweis geschieden gewesen ist, nach ägyptischem Zeugniß innerhalb dieser Scheidung ein unsicheres sein, und einer langen Bildung bedürfen konnte, ehe es seinen Zweck, bestimmte Dinge mit bestimmtem Laute zu bezeichnen, erreichte. Wo der­selbe Begriff demselben Volke ursprünglich durch eine Unzahl von Worten ausgedrückt werden konnte, wo diese Worte gleichzeitig einer Unzahl anderer Begriffe dienen konnten, kann die Sprache weder plötzlich als eine allgemeine Inspiration uniform aus den Köpfen der Gesammtheit hervorgebrocheu sein, noch das Sprachgefühl, welches schließlich einen Laut einem Begriffe zuwies, anfänglich bestanden haben. Erst die fortgesetzte Wahl vieler Geschlechter muß vielmehr über den Zusammenhang zwischen Laut und Begriff entschieden haben.

Nichtbeachtung der Homonymie hat auch im Aegyptischen zur halsbrechendsten Divination metaphorischer Bedeutungsübergänge geführt.