Johannes Huber.
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einwohnende Göttliche, zu versöhnen sei mit dem Deismus, der die göttliche und menschliche Persönlichkeit, die sittliche Freiheit mit gleichem Rechte betont, dies Problem der Gegenwart war auch von Huber mit weltoffenein Sinn und religiösem Gemüth ergriffen worden; in Scotus Erigena stand ihm einer der Erzväter einer speculativen und zugleich christlichen Philosophie gegenüber, und es gelang ihm die erste congeniale und unübertroffene Darstellung desselben. Wenn der Standpunkt der Scholastik vornehmlich ein Dualismus von Gott und Welt ist, die Mystik aber den Geist in die Anschauung Gottes versenkt und sich mit ihm eins fühlt und weiß, so betrachtet Scotus Erigena das ewig Eine, wie es sich zur Vielheit entfaltet und Wieden zu sich zurückkehrt, wie es in der Welt sich offenbart und wie der Geist sich in seinem Urquell wiederfindet. Huber zeichnet sein eignes Ziel, das er auf der Grundlage des empirischen Wissens unsrer Tage und in der Religion zu erreichen hoffte, wenn er die Betrachtung Erigena's schließt: „Für ihn
ist die Philosophie, was sie für Platon war, eine Auferstehung aus der Nacht des Irdischen in den Tag der Wahrheit, eine Himmelfahrt des Geistes." „Wie jede Philosophie, die die Welt begreift, in diesem Erkennen auch mit dem Anerkennen ihrer Ordnung endigt, sodaß nicht nur das Denken, sondern auch das Gemüth seine Versöhnung mit ihr feiert, so finden wir es auch bei Erigena. Alle Schatten des Daseins, alle Mißklänge des Lebens werden ihm zu dienenden Momenten in dem herrlichen Bilde und in der entzückenden Symphonie des Universums, in deren Erfassung der Geist sich von allem Schmerze der Endlichkeit befreit und sich selbst in ihre Harmonie selig ausgenommen fühlt."
Jenes Werk erschien 1861. Huber sagt in der Vorrede, man habe ihm vorgeworfen, daß er Erigena's Vermittlung der Transfcendenz mit der Immanenz Gottes wieder aufleben machen wolle, wie das die neue Philosophie in pantheistischen oder semipantheistischen Lehren anstrebe. „Wie jeder Leser meines Buches sich überzeugen wird, so trifft mich dieser Vorwurff denn ich bekenne mich in der That zu jener Richtung in der Philosophie, die die Welt für ein Moment des göttlichen Lebens erklärt, die Gottheit aber selbst in der Form übergreifender Subjectivität, d. h. als absolute Persönlichkeit erkennt. Ein Vorläufer dieses Standpunktes ist allerdings Erigena; aber ein solches Zusammentreffen mit einem alten Autor ist nicht mit einem Zurückgehen auf denselben identisch, denn wenn nach einem tausendjährigen Zwischenraum der eindringendsten Geistesarbeit dieselben Ideen abermals aufleben, so sind sie im Fortgange der geistigen Entwicklung selber gewachsen und damit auch in mancher Hinsicht anders geworden. Von dem gegenwärtigen Höhepunkte philosophischer Erkenntniß einfach aus die Ideen eines mittelalterlichen Denkers zurückzugehen, wäre in der That ein Rückschritt und hieße im Mannesalter wieder in die Kinderschuhe eintreten wollen. Aber jeder philosophische Betrachter der Geschichte weiß um die Entwicklung des Geistes in der Menschheit, wonach die Nachkommen von der Vorwelt die