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M. Larriere in München.
Keime ihrer eigenen Ideen empfangen. Auf folche Weise erneuern wir jeden Philosophen in uns, der lebendige und damit unsterbliche Gedanken in die Welt gebracht hat; aber wir wiederholen ihn nicht blos, sondern er wächst in uns zu einer größeren Reife und reicheren Fülle der Anschauungen." Huber hätte noch einen Schritt weiter gehen und an das Wort Rahels erinnern sollen: „Man lernt nur, was man schon weiß!" Erst wenn wir eine Idee selber gedacht haben, verstehen und finden wir sie bei anderen. Als mir jener Gedanke von der Ueberwindung des Pantheismus und Deismus in einer tieferen und höheren Gottes- und Weltidee aufgegangen war, da verstand ich Giordano Bruno und Jakob Böhme in diesem Sinne, der Streit, ob sie Pantheisten oder Deisten gewesen, erschien mir müßig, sie waren eben beides und keines, vielmehr ein besseres Drittes; so Hab' ich sie 1846 in der „philosophischen Weltanschauung der Reformationszeit" dargestellt.
Wenn aber Huber in die Kinderschuhe der Scholastik nicht wieder treten wollte, so verlangten das gerade die Römlinge, die auf den Thomas von Aquin schwören, und unserm Freunde als einem Abtrünnigen nun Streit bereiteten. Er hatte nach den Quellen Erigena's forschend, eingehende Studien in der neuplatonischen wie in der altchristlichen Literatur gemacht, und sandte schon 1859 seinem erwähnten Werke „die Philosophie der Kirchenväter" als Einleitung voraus. In der Widmung an seine Jugendfreunde sprach er von den Mißverständnissen, die eingetreten seien, als er den Weg freien Denkens eingeschlagen, und setzte hinzu: „Mir war bewußt, daß wir an
derselben Aufgabe arbeiteten, an dem Sieg des Geistes und der Idee über den praktischen und theoretischen Materialismus der Zeit, und so konnte ich Euch stets über den Gegensatz hierüber die Hand reichen." In der Darstellung der Kirchenväter zeigte es sich, wie viel selbstständiger, mannigfaltiger, geistvoller ihre Ansichten über Gott, Menschheit, Christus sind als die Lehrsätze, welche die Dogmatik fixirt hat. Das Buch war klar und anziehend geschrieben, so dünkte es dem erstarrten Pfaffenthum gefährlich, und es kam alsbald auf den römischen Index der verbotenen Bücher. Das schien nicht ganz gleichgiltig in einem Lande und an einer Universität, auf welche die Bischöfe seither Einfluß geübt, und welche als katholisch gelten sollte; der Erzbischof Scherr mahnte den jungen Philosophen, daß er der Censur sich' lauäabMsr unterwerfe, aber der vermied es, den hingehaltenen Ring zu küssen und behauptete das Recht seiner Ueberzeugung. Daß seine und Frohschammer's Absetzung in der Absicht des Münchner Ordinariates gelegen, hat Professor Friedrich uns versichert. Es setzte dies nicht durch, lähmte aber Hubers Lehrthätigkeit durch das Verbot an die Theologen, an die Gläubigen, die Vorlesungen desselben zu besuchen. Von anderer Seite ward Hubers religiöser Sinn als hinter der Zeit zurückgeblieben, als überwundener Standpunkt behandelt. Im Jahre 1863 hatten Döllinger und Haneberg eine Versammlung katholischer Gelehrten nach München berufen; Kirchlichkeit und Wissenschaft sollten verbündet werden oder bleiben. Rom schüttelte den Kopf dazu,