Issue 
(1879) 27
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Johannes Huber.

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Huber forderte das Zusammenwirken von Selbsthilfe und Staatshilfe in Bezug auf die besitzlosen Arbeiter und ihre Association; ihn bekümmerte es, wie sie mehr und mehr eine Beute der irreligiösen materialistischen Lehren wurden; das Leben war ihm ja eine sittliche Aufgabe; er schloß jene Erstlingsschrift auf diesem Gebiete mit den wohlerwogenen Worten:In der ethischen Lebensauffassung allein liegt eine die Welt überwindende Kraft der Resignation, ohne die wir auch in den glücklichsten Verhältnissen nicht zu bestehen vermögen. Darum ist es nicht gleichgiltig, ob eine solche sich der Gesellschaft und vor allem der gedrückten Classen bemächtigt, oder ob das Gegentheil von ihr zur allgemeinen Ueberzeugung wird. Es ist nicht gleich­giltig, ob jede Verzichtleistung auf sinnlichen Genuß als reiner Verlust erscheint, oder als ein ethischer Gewinn benutzt und betrachtet werden kann. Proletarier hat es zu allen Zeiten der christlichen Welt gegeben, aber sie haben ihr Schicksal weniger drückend empfunden, weil sie in dasselbe eine ethische Bedeutung hineinzulegen vermochten. Wird im Menschen hingegen nichts anderes erkannt als die letzte und höchste Stufe in der Entwicklung der thierischen Organisationen, wie kann man ihm noch einen Act sittlicher Freiheit gegenüber dem Naturtriebe zumuthen, da ihm mit jener Annahme zugleich die Möglichkeit hierzu abgesprochen wird? Es wird für die physische Wohl­fahrt schlecht gesorgt, wenn die sittliche Quelle des Glückes verschüttet wird; denn aus ihr vor allem geht jene hervor. Indem man die idealen Fundamente der Gesellschaft untergräbt und die Begierde, für unwiderstehlich sie erklärend, entfesselt, wird nur der allgemeine Einsturz vorbereitet. Die Aufrechthaltung der ethischen und idealen Weltanschauung ist demnach eine dringende Noth- wendigkeit, und indem die Philosophie die Vertretung derselben unternimmt und ihre Wahrheiten gegen die aus einer dürftigen Empirie entnommenen Angriffe vertheidigt, ist ihre Mission für die Lösung der großen Frage des Lebens auch in der Gegenwart nicht verkürzt, und wird ihre Sache eine gemeinsame sein mit der des Christenthums, das mit dem Gesetze der Liebe die Schöpfung einen moralischen Werth zu verwirklichen sucht."

Aber die osficiellen Repräsentanten des Christenthums standen ja im Widerspruch mit den Männern, die von der Wissenschaft aus diese sittliche Weltordnung im Volksbewußtsein aufgerichtet oder aufrecht zu halten strebten neue Dogmen zu schmieden als Geistesfesseln war ihr Trachten, und bald sollte Huber in einen langen Streit mit ihnen verwickelt werden. Voran ging wie ein Vorpostengefecht ein offener Briefwechsel mit Professor Stöckl in Münster, der Huber's Erigenabuch als eine Frucht der liberalen Münchner Schule angegriffen hatte; Huber konnte demselben handgreifliche Plagiate Nachweisen, als er gegen die Erneuung der mittelalterlichen Scholastik die Stimme erhob. Dabei war ihm die mächtige Bewegung willkommen, als das Jahr 1866 die deutsche Frage in Fluß brachte, so schlimm es war, daß zunächst Nord- und Süddeutschland gegen einander in Waffen standen. Er schrieb in der Vorrede zu seinenStudien":Trauriger als die Wehen, in

Nord und Süd. IX, 27 . 26