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(1879) 27
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M. Larriere in München.

denen eine neue Zeit geboren wird, sind die Perioden der Stagnation zu durchleben, in denen der Muth und die Hoffnung des Bessern geschwunden scheinen und das Gegenwärtige wie ein unvermeidliches Verhängniß ertragen wird. Wer den Frühling will, der muß die Stürme nicht scheuen, welche die Ketten des Winters zersprengen." Es ist selbstverständlich, daß die Jahre 1870 und 1871 als die Erfüllung der Sehnsucht nach dem geeinten Vater­land und seiner Entwicklung freudig begrüßt wurden. Wir vereinten uns im Winter, während das Heer noch in Frankreich stand, mit mehreren Patrioten, uni in München durch eine Reihe öffentlicher Vorträge die große Epoche und ihre Ausgabe zu erklären; Huber sprach begeisterte Worte über das Verhältniß der Philosophie zur nationalen Erhebung. Doch lag sein thatkrästiges Wirken nicht auf dem politischen, sondern auf dem kirchlichen Gebiet.

Pius IX. von den Jesuiten beeinflußt, plante ein allgemeines Concil, und es ward in den ultramontanen Blättern selbst verkündet, daß der Syllabus, diese Sammlung päpstlicher Aussprüche gegen die Freiheit im Leben und Erkennen, sowie die päpstliche Unfehlbarkeit selbst zur allgemein giltigen Glaubenssatzung erhoben werden soll. Dagegen empörte sich das deutsche Gewissen wie der wissenschaftliche Sinn in Männern wie Döllinger, Friedrich, Huber. Sie wußten, daß, wenn das Coneil gesprochen habe, alsdann das Gefüge der Hierarchie viel zu starr und fest, der Gehorsam des Klerus viel zu blind sei, als daß noch aus entscheidenden Widerstand gerechnet werden könne. So sollte vorgebeugt werden; vor allem, die deutschen Bischöfe wie die öffentliche Meinung sollten zum Widerspruch gegen die Pläne der Römlinge gerüstet werden; Vorstand, nicht Alleinherrscher sei der Papst; vom Stand­punkte der Apostel schien bereits das Papstthum, wie es geworden, ein ent­stellender, krankhafter, athembeklemmender Auswuchs am Organismus der Kirche; wer das Wohl derselben wolle, der müsse eine durchgreifende Reformation fordern, welche sie mit den Prineipien der politischen, intellectuellen und religiösen Freiheit in Einklang setze, wie solche aus dein Geist und Buch­staben des Evangeliums zu schöpfen seien, statt durch die Unsehlbarkeitslehre das System der Geistesknechtschaft zu besiegen. In diesem Sinne erschienen einige Aufsätze über das bevorstehende Concil in derAugsburger allgemeinen Zeitung", die durch die Gediegenheit des Inhalts, wie durch die maßvolle Darstellung vielfaches Aufsehen erregten; man verlangte den besonderen Abdruck, statt dessen traten sie in einer Erweiterung an's Licht, welche an der Hand der Geschichte mit staunenswerther Gelehrsamkeit darlegte, wie die päpstliche Unfehlbarkeitslehre im Widerspruch mit der Bibel, mit älteren Concils- beschlüssen stehe, wie sie keineswegs immer und überall geglaubt worden sei noch werde, und darum trotz aller Fälschungen und Jntriguen, durch die seit Jahrhunderten sie vorbereitet oder verbreitet werde, doch niemals Dogma werden könne. Das Buch hieß bekanntlich: Der Papst und das Concil von Janus. Ein Münchner Witzblatt zeichnete diesen Janus mit dem doppelten