Der dreißigjährige Krieg und die deutsche Literatur. 58 r
Opitz hat neben so manchem Anderen, das er in Deutschland schuf oder durch seine Autorität mit einer Bedeutung umkleidete, die es früher nicht besessen und auch nicht verdient hatte, die Gelegenheitsdichtung zu hohen Ehren gebracht. Nicht jene, an welche Goethe denkend, den oft angeführten Satz ausgesprochen, daß jedes gute Gedicht ein Gelegenheitsgedicht sein müsse, dessen Wesen darin besteht, daß der Dichter zur passenden Zeit das passende Wort sage, daß er nur solche Gefühle ausspreche, die wirklich in ihm leben, daß er Vorgänge der Außenwelt nur dann feiere, sobald er innerlich an ihnen betheiligt ist, sondern jene, die dem wahren Poeten immer am schlechtesten gelang, und dem schlechten stets am besten aus der Feder floß, die aus Bestellung oder nach Bezahlung Thaten feierte, die den Versmacher nichts angingen, Persönlichkeiten pries, denen gegenüber er nur in dem Verhältnis^ eines Nehmers zum Geber stand.
In jenem Jahrhundert nun war der Lobdichter Theilhaber einer Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit: feierte er Viele im Liede, so wurde er selbst- perständlich bei passenden Gelegenheiten gleichfalls angesungen; Opitz, der am kräftigsten Lobende, war darum auch der am meisten Gelobte. Als er starb, trauerte ganz Deutschland; unter den Dichtern, die ihn lobten, war keiner eifriger, keiner aufrichtiger, als Paul Fleming. In Pier Gedichten hat er seinem, Deutschlands, Europas Schmerz um den Verlust Ausdruck gegeben, sich beklagt, daß er in der Fremde ein solches Ereigniß erleben müsse, mit Deutschland getrauert, daß es durch diesen Todesfall aus der Reihe der bestimmenden geistigen Mächte geschwunden sei, Europa bejammert, daß ein Mann geschieden sei, welcher der ganzen Welt Glanz und Ansehen verliehen habe.
Daß Opitz solches Lob nicht verdient, wissen wir; woher kam es, daß Fleming solches spendete? Schlechte Absichten verfolgte er dabei nicht, unüberlegt gehandelt zu haben, kann er nicht beschuldigt werden; sein Lob fließt vielmehr aus derselben Quelle, aus der das Lob Redlichdenkender so mancher Zeiten entströmt; aus dem pflichtgemäßen Beugen vor der Autorität, aus der scheuen Verehrung eines bestimmt erkennbaren, äußerlich sichtbaren Erfolges. Denn in diesem war Opitz Allen überlegen. Was er gefunden hatte — der glückliche Griff einer müßigen Stunde, das schnell gewonnene Resultat einer scharfsinnigen Ueberlegung, das brach sich rasch und überallhin Bahn; es war äußerlich, nothwendig, konnte von dem mittelmäßigsten Kopse angewendet werden: lauter Bürgschaften für einen Ungeheuern Erfolg.
Opitz wurde Schulhaupt, Parteiführer, Jeder wünschte, ihn zu verpflichten und hütete sich wohl, es mit ihm zu verderben; Fleming war ein Mann für sich, wer ihn ignorirte, kam weder in Acht noch in Bann. Und doch wie unendlich hoch steht Fleming über Opitz. Dieser, nach Ehre und Würde geizend, Berühmtheiten aufsuchend in allen Landen, um pon ihrem Glanz einen Schimmer für den eigenen Ruhm zu erhaschen; Jener, mit Wenigen bekannt und denen, die er kennt, willig sich unterordnend, nicht