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Ludwig Geiger in Berlin.
darauf achtend, ob er durch ihren Ruhm dem eigenen Namen Ehre und Vortheil gewinnt. Opitz begiebt sich in Dienstbarkeit, wirft die äußere Freiheit weg, weil ihm die Empfänglichkeit für die innere abgeht, ist Lehrer, Hosdichter, Secretär, Gesandter; immer aber Schmeichler, von der Gunst emporgetragen und von der Ungunst herabgeworsen; Fleming behagt sich nur in der Freiheit und sehnt sich nach einem Berufe, in dem er, von den Hohen unabhängig, der Wissenschaft und ihrer Ausübung leben kann. Fleming fühlt sich nur wohl, wenn er, ganz unähnlich den Meisten seiner Zeit, in gemischter Gesellschaft, zwar im Dienste eines Fürsten, aber entfernt von ihm, ohne den lästigen Zwang der Hofetikette in fremden Ländern umherschweifen kann; Opitz hat Wohl die pflichtmäßige Reise unternommen, die ein Jeder machen mußte, der im 17. Jahrhundert auf den Namen eines gebildeten Mannes Anspruch zu erheben trachtete, aber sonst hütet er sich vor Reisen in unbekannte Gegenden ebenso sehr, wie vor dem Umgänge mit Menschen ohne Titel und Würden, denn diese mochten für seine Lieder, jene für feinen Namen nicht genügendes Verständniß besitzen oder Anerkennung gewähren. Und weil Opitz überall, wohin er kommt, nur sich sucht, vermag er Menschen und Dinge außer sich nicht recht zu betrachten: seine Beschreibungen von Gegenden, seine Schilderungen des Landlebens sind platt und nüchtern, sie lassen weder den geschilderten Gegenstand gebührend hervortreten, noch die Individualität des Dichters erkennen; bei Fleming gewinnt Alles Leben: wir durchwandern mit ihm Rußland, wir lernen fremde Menschen kennen, und fremde Gewohnheiten, wir sehen das Schiff schaukeln auf unbekannten Gewässern und erleben mit dem Dichter schwere Gefahren. Und wie die Fähigkeit des äußern Darstellers, so war das innere Leben, das Empfinden bei beiden Männern verschieden. Opitz, der heute dieser, morgen jener politischen Partei diente, der, obwohl Protestant, katholische Fürsten verherrlichte und seine eigenen Glaubensgenossen angrisf; der, obwohl Deutscher, den König von Frankreich rühmte, vermochte weder eine bestimmte politische noch religiöse Gesinnung zum Ausdruck zu bringen; Fleming blieb, obgleich ihn seine wissenschaftliche Richtung vom Religiösen eher abzog, als zu demselben Hintrieb, ein wackerer Protestant, der, ohne streitsüchtig zu werden, seine Gesinnungen vertheidigte, so oft es Noth that und verharrte stets, obgleich er meist im Auslande lebte, in seiner innigen Liebe zum Vaterlande. Beide haben von Liebe gesungen; aber wie weit steht der, der nur von Liebe spricht, hinter dem zurück, der Liebe wahrhaft empfindet. Von Opitz wisfen wir, daß er in seinen jungen Jahren an lockerem Leben Gefallen fand, daß er fast vierzigjährig einem Mädchen von noch nicht 15 Jahren die Hand bot, aber seine Licbesklagen und Geständnisse an Phyllis, Asteria, Galathea, Flavia, Dorinde u. A. m. sind leer, weil sie keiner wahren Empfindung entsprechen ; was Fleming von Liebe gesungen, angeregt durch eigene Stimmung trübe und selige, das klingt noch heute wieder und findet in unserm Herzen eine sichere Stätte.