Issue 
(1879) 27
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Der dreißigjährige Krieg und die deutsche Literatur. - 3^2

denen sie wirklich von Herzen reden, bewähren sie sich als Dichter: Dach's rührende Bittgebete, zur Zeit seiner Krankheit und bei dem Anblick fremder Leiden entstanden, Gerhardts jubelnde Dankhymnen für Gottes Güte und feine strafenden und mahnenden Bußgesänge wird man auch heute nicht ohne Erbauung lesen und fingen.

Mit der geistlichen Dichtung steht die Satire jener Zeit in engerem Zusammenhang, als man auf den ersten Blick vermuthen möchte, nicht nur dadurch, daß ein hervorragender Satiriker jener Tage Geistlicher ist, der Protestant Balthasar Schupp, sondern auch durch ein inneres Band. Der Pfarrer ist Strafredner seiner Gemeinde, der Theologe überhaupt Straf­redner der ganzen Welt. Jemehr sie sich in geistliche Dinge vertiefen, je reiner sie sich das himmlische Leben ausmalen, um so verwirrter, unreiner und hassenswerther schildern sie das irdische Treiben, den Lauf der Welt. Ihn zu ändern versuchen sie zuerst durch Bitten und Ermahnungen, sodann, wenn sie mit diesen nichts ausrichten, durch Ausmalung der Verderbtheit, in welcher sich die Welt befindet, endlich durch satirische Wendung gegen einzelne Personen und Ideen. Aber dieser theologische Anstrich gereicht der Satire nicht zum Nutzen; der Geistliche muß, um wirksam zu sein, die Dinge derber schildern, als sie wirklich sind, er muß den Höllenpfuhl malen, um als Gegenbild das himmlische Paradies erscheinen zu lassen; was er an Deutlichkeit gewinnt, verliert er an künstlerischer Abrundung.

Trotzdem bleibt dem genannten Satiriker Schupp ( 1600 1661 ) seine hohe Bedeutung. Er war Pfarrer und fleißiger Schriftsteller und benutzte die Kanzel eben so gern wie den Schreibtisch, um seine Meinung gerade heraus zu sagen und seine Gegner schonungslos anzugreifen. Solcher Gegner hatte er besonders zwei Klassen, die Gelehrten und die sündige Welt. Als Schrift­steller bekämpfte er die ersteren, als Geistlicher die letzteren. Jenen warf er Dünkel und falsche Meinungen vor, verspottete ihre mangelhafte Kenntniß der lateinischen Sprache und ermahnte sie, deutsch zu schreiben, geißelte den Unverstand, den sie in der Behandlung ihrer Untergebenen, der Schüler, zeigten, und die Erbärmlichkeit, die sie in ihrem Verhältniß zu den Höher­stehenden kundthaten; diesen hielt er ein Spiegelbild ihres Lebens vor und suchte ihnenmit Lachen die Wahrheit zu sagen". Denn er liebte es, seine Predigten und Reden mit Witzen und heiteren Anspielungen zu verzieren, die er für wirksamer hielt als ernste Mahnworte, scheute nicht grobe Bemerkungen, besonders über geschlechtliche Verhältnisse, seltsame Ausrufe oder Predigtanfänge, durch welche er Staunen erregen oder die Aufmerksamkeit anreizen wollte, wie er z. B. einmal anhob:Ich wünsche Euch, daß Ihr alle heut Abend möget zur Hölle fahren," wählte seltsame Themata z. B. über dasWörtlein Nichts", und konnte heute über das jüngste Gericht, morgen über eine auf­fällige Stadtgeschichte, die Aussehen und Aergerniß erregt und ein anderes Mal über tolle Gerüchte predigen, die man gegen ihn ausgesprengt hatte, z. B. darüber, daß ans einer Tonne Bier, die er in seinen Keller gelegt