Issue 
(1879) 27
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Ludwig Geiger in Berlin.

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hätte, Blut geflossen sei. Schupp ist in Manchem das Vorbild Abraham a Santa Claris geworden, der sein Muster übertrieb und durch diese Ueber- treibung an Kunst ebensoviel verlor, wie an drastischer Einwirkung gewann.

Einen allgemeineren Standpunkt als dieser immerhin einseitige Prediger nimmt der Satiriker I. M. Moscherosch (Philander von Sittewald) in seinenGesichten" ein. Ihm erscheint in diesem künstlerisch mißglückten und sprachlich nicht genug vollendeten Werke der Zustand Deutschlands, wie er sich während und in Folge des grauenvollen Krieges herausgebildet hatte. Er schildert das rohe Treiben der einheimischen und fremden Soldateska, welche die kriegerischen Tugenden vergißt und nur der Befriedigung ihrer Zerstörungswnth und Beutesucht nachgeht; geißelt das Gebühren der Frauen, die fern von weiblicher Sittsamkeit und Schamhaftigkeit, mit den Männern in Lastern zu wetteifern sich bemühen und Fleiß und Eifer nur in der Herbei­schaffung ausländischer, kostspieliger und unzüchtiger Moden beweisen; tadelt das Hofleben, in welchem nurOhrenbläser, Fuchsschwänzer und Schalksnarren" herrschen, von wo aus die Laster, unter denen auch das Tabakranchen genannt wird, nachdem sie gepflegt und großgezogen worden, ihren Siegeszug bis zu dem Volke antreten; und beklagt den Verlust dreier Güter, von deren Wiedergewinn er die Erhebung und Kräftigung des Vaterlandes abhängig macht: die Freiheit der Ueberzeugung und das offene Bekenntniß derselben; die altdeutsche Kraft und Tüchtigkeit die sich in den Kämpfen der Germanen gegen die Römer so glänzend bewährte; die Pflege der deutschen Sprache, ihre Reinhaltung und Säuberung von all den ausländischen Znthaten, die sich wie die fremden Eindringlinge ins Land, in der Sprache sestzusetzen versuchten.

So interessant und wichtig für die Beurtheilung jener Zeit Philander von Sittewald's Gesichte sind, so werden sie wegen der Dürftigkeit der Erfindung, und der Weitschweifigkeit ihrer Darstellung stets Eigenthum der Gelehrten bleiben. Dagegen verdienen die satirischen Schriften zweier anderer Männer: Fr. Log au und Andr. Gryphins die allgemeine Beachtung; die Sinn­gedichte des Ersteren und das Drama: Horribilicribrifax des Letzteren.

Man wird Gryphins (16161664) freilich nicht gerecht, wenn man ihn einen Satiriker nennt, man müßte vielmehr, um seine Bedeutung zu würdigen, seine Dramen und seine lyrischen Gedichte eingehend betrachten. Denn auf beiden Gebieten hat er Erstaunliches geleistet: seine Dramen beweisen eine zu jener Zeit einzig dastehende Geschicklichkeit in Erfindung und in der Behandlung des Stoffes; seine lyrischen Gedichte, besonders seine Kirchhof­gedanken zeigen eine Innigkeit der Empfindung und eine Gluth der Sprache, die noch heute ihren Eindruck nicht verfehlt. Und derselbe Mann hat in dem genannten Drama, das zugleich ein hübsches Muster kunstvoll verknüpften Jntriguenspiels ist, eine vortreffliche Satire auf einzelne Fehler seiner Zeit geschrieben. Die Abenteurer nämlich, welche theils im Verlaufe des dreißig­jährigen Krieges, theils kurz nach demselben Deutschland überschwemmten, treten hier, als seltsame Wesen schon durch ihre komischen Namen: Horribilicribrifax