Der dreißigjährige Krieg und die deutsche Literatur. ^
trifft unser Werk nicht, denn es gefällt sich niemals in absichtlicher Darstellung frivoler Situationen und Geschichten, sondern wendet bei aller Derbheit eine gewisse Zurückhaltung an und fuhrt den Helden nach manchem leichtfertigen und bösen Streiche zu einem reuevollen Ende. Doch mag der Autor sich lieber selbst verantworten.
„Wird nun," so schließt er sein Werk, „heute oder morgen, entweder vor oder nach meinem Tode Jemand dies finden und lesen, denselben bitte ich, dafern er etwa Wörter antrifft, die Einein, der sich gern besserte, nicht zu reden geschweige denn zu schreiben wohl anstehen, er wolle sich darum nicht ärgern, sondern gedenken, daß die Erzählung leichter Händel und Geschichten auch bequeme Worte erfordere, solche an den Tag zu geben. Und gleichwie die Mauerraute von keinem Regen leicht naß wird, also kann auch ein rechtschaffenes gottseliges Gemüth nicht sogleich von einem jedweden Diskurs, er scheine so leichtfertig als er wolle, angesteckt, vergiftet and verderbt werden. Ein ehrlich gesinnter christlicher Leser wird sich vielmehr
verwundern und die göttliche Barmherzigkeit preisen, wenn er findet, daß ein so schlimmer Gesell wie ich gewesen, dennoch die Gnade von Gott gehabt, die Welt zu resigniren und in einem solchen Stand zu leben, darinnen er zur ewigen Glorie zu kommen und die selige Ewigkeit nächst dem heiligen Leiden des Erlösers zu erlangen erhofft, durch ein seliges Ende."
Auch unsere Betrachtung hat damit ihr Ende erreicht. So flüchtig sie auch an wichtigeil Erscheinungen vorübergehen mußte, so hat sie doch vielleicht gezeigt, daß der Sah: Unter den Waffen schweigen die Musen, keine volle
Berechtigung für den dreißigjährigen Krieg besitzt, aber auch dargethan, daß die Auffassnngsweife jener Tage von der der unfern sehr verschieden ist. Ans den Stürmen des dreißigjährigen Krieges rettet der größte Schriftsteller jenes Zeitraums sich selbst, indem er sich aus den: tollen Treiben in ein kleines Städtchen znrückzieht, üü ein rühmloses aber ruhevolles Amt, das ihn ernährt, wenn auch nicht befriedigt, rettet er seinen Helden dadurch, daß er den zur Selbstbefreinng Gelangten in einer stillglückseligen Einsamkeit auf einer wüsten Insel sein Leben beschließen läßt. Das ist der schönste poetische Abschluß jenes Werkes, vielleicht auch die einzig mögliche Lösung des Räthsels vom Menschenleben, welche jene Zeit kannte oder gestattete, aber sie ist nicht die einzig mögliche überhaupt, nicht die, welche uns erlaubt ist. Nicht im Znrückziehen von der Welt, sondern im Zusammenleben mit derselben, nicht im Vermeiden der feindlichen Mächte, sondern im Bekämpfen derselben besteht unsere Aufgabe; auch für uns gilt das Wort, das Schiller in jener köstlichen Schilderung des Wallenstein'schen Lagers für die Soldaten des dreißigjährigen Krieges gebraucht hat:
Und setzet ihr nicht das Leben ein,
Nie wird Euch das Leben gewonnen sein.