Issue 
(1879) 27
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^ Die staatliche und sociale Entwickelung Japans.

Jede Landschaft schickt zwei Vertreter in den Landtag, die auf drei Jahre gewählt sind; Wähler und wählbar sind alle diejenige!:, welche jährlich mehr als zehn Dollars Grundsteuern an den Staat entrichten. Da diese Land­tage in der kurzen Zeit ihres Bestehens erst ein Mal haben znsammentreten können, so läßt sich über ihre Wirksamkeit und Bedeutung für die innere Verwaltung noch nichts sagen, jedoch darf man von Bauern, die überhaupt erst seit einigen Jahren politisch frei sind, zunächst wenig Verständniß für die öffentlichen Dinge erwarten. Die durch ihre Stellung und Erziehung hierzu befähigten Samurais sind, wie schon oben angeführt wurde, von der Wählbarkeit zu den Landtagen ausgeschlossen, da die. meisten kein Grund- cigcnthum haben. Man kann der Versicherung der Regierung, daß sie die Landtage geschaffen hat, um die Bauern allmählich zur Theilnahme an den Fragen des Staatswohls zu erziehen, wohl glauben, lleberhaupt fällt bei einem Vergleich der jetzigen Verwaltung mit der früheren, zur Zeit der Taikune, gleich in die Augen, daß die damalige Maxime ausschießlich darauf gerichtet war, aus dem Bauernstände möglichst viel Abgaben herauszuziehen, während dem jetzigen System unsere Auffassung des Verhältnisses von Staat und Unterthanen zu Grunde liegt.

Das Iustizwesen.

Mit der Verwaltung hat auch das Gerichtswesen eine den Ideen der civilisirten Völker entsprechende Umwandlung erfahren. Unter der früheren Regierung war es mit der Verwaltung vereinigt; sowohl Criininal- wie Civilgerichtsbarkeit wurde von den Gouverneuren der Stadt- und Landbezirke ausgeübt. Der Anfang der Trennung dieser beiden Gewalten fand schon im Jahre 1868 für Uokohama statt, wo die Rücksicht auf die Fremden Ver­anlassung dazu gab; allgemein ist dieselbe durchgeführt seit etwa 3 Jahreu. Bei der Organisation der Gerichtshöfe und des Verfahrens ist man haupt­sächlich französischen, zum Theil aber auch englischem und amerikanischen Ein­richtungen gefolgt, und das Ganze sieht äußerlich recht entsprechend aus. Allein das Innere birgt noch Vieles von dein Barbarismus der Vergangenheit; man hat die Form recipirt, aber nicht den Geist, der sie belebt. Kurz, das japanische Gerichtswesen hat durch die Reformen wenig gewonnen und befindet sich in einein Zustande, der in vielen Fällen nur Rechtlosigkeit erzeugt.

Die Schuld liegt an den Personen sowohl wie an den Verhältnissen, oder, uni auf den Urgrund zurückzugehen, an dem mangelhaften Rcchtsbewußtsein, das allen asiatischen Völkern eigen ist. Die Unterscheidung von öffentlichem und Privatrecht, sowie von Civil- und Criminalprozeß, fehlt ganz. Unter dem Druck des Despotismus konnte sich keine Rechtslogik entwickeln, nicht einmal die fundamentalen Begriffe von Besitz und Eigenthum sind ausgebildet; das Verständuiß für Rechtsgeschäfte ist äußerst gering, nur der Kauf-, Leih­und Cessionsvertrag sind in der allerrohesten Form vorhanden. Die Willkür