Die staatliche und sociale Entwickelung Japans.
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ist rechtlich abgeschafst worden, was eine große Rechtsunsicherheit zur Folge gehabt hat; denn die Interessengemeinschaft und die gegenseitige Ergebenheit der Familienmitglieder in ihrer dem Europäer ganz unverständlichen Stärke dauern fort. Der unredliche Schuldner also läßt sich vermittelst der neu eingesührten Eoncursordnung bankerott erklären, sein Vermögen ist längst vorher auf einen jüngeren Bruder oder Adoptivsohn übertragen, der jetzt die Vertretung der Familie übernimmt, der Gläubiger aber hat das Nachsehen.
Die cultnrhindernde Wirkung der Familie in Japan und China, indem sie die freie Thätigkeit der Entwickelung des Individuums hemmt, ist zu allgemein anerkannt, als daß es eines besonderen Eingehens auf dieselbe bedarf.
Wohlthätige Wirkung der Restauration auf die socialen Verhältnisse.
Wenn nur aber jetzt den Blick von dieser dunkeln Stelle abwenden und die Lichtseiten anfsuchen, welche die Cultnrbestrebungen Japans in dem verflossenen Tecennium bieten, so wird unsere Sympathie bald wieder erwachen. Derjenige, welcher frisch von Europa kommend, die japanischen Zustände betrachtet, wird allerdings im staatlichen und socialen Leben des Volks eine solche Masse von Halbheiten, Verzerrungen und Ungeheuerlichkeiten zu entdecken vermeinen, daß er seinen Cnltnrleistnngen keinen hohen Werth beilegen wird; ganz anders aber urtheilt derjenige, der Zeuge der letzten Tage des Taikunats gewesen ist. Das Volk war eine Heerde Sclaven, die der Laune der Fürsten und Samurais dienten. Vor dein geringsten Beamten mußte der Bürger und Bauer in den Staub sinken; ritt der Gouverneur durch die Straßen, von den Fürsteil gar nicht zu reden, so stockte alle Bewegung unter dem Volk, alle sanken stumm in die Kniee; zog der Taikun aus, so mußten alle Häuser in der Umgegend geschlossen werden, derjenige, welcher eineil Samurai auf der Straße, auch nur aus Unvorsichtigkeit nnstieß, wurde sofort gezüchtigt, wer es wagte, seine Hand gegen ihn zu erheben, war dem Tode verfallen. Es gab eine ganze Kaste von Menschen, die Aelas und Bettler, welche ganz voll der Gesellschaft ausgeschlossen waren. Jene wohnten abgesondert in einem schlechten Stadtviertel und durften nur unehrenhafte Gewerbe als Abdeckerei und Gerberei betreiben, diesen war das Recht der Arbeit ganz genommen; sie waren Bettler voll Geburt, ohne Wohnung und Heimath, kein Mensch gab ihnen Beschäftigung. Die Prostitution war unter Aufsicht und mit Zuthun des Staates in entsetzlicher Weise ausgebildet, der Verkauf von Mädchen war gesetzlich gestattet und geschützt. Keine Polizei wachte über die öffentliche Sicherheit; der Arme und Schwache war den Bedrückungen und Mißhandlungen des Reichen und Starken ausgesetzt, ohne daß er beim Staate wirksamen Schutz fand. Unter den Samurais war die Blutrache üblich.
Alle diese traurigen Zustände sind im Lause der letzten zehn Jahre, sei es durch gesetzlichen Zwang, sei es in Folge der Aufklärung, welche die Regierung