Heft 
(1880) 39
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Theodor Fontane in Berlin.

beliebigen Conventikler oder Predigtamtscandidaten erkennen, daß es doch zn nichts führe. Es sei eben immer die alte Geschichte, und um den Teufel auszutreiben, werde Beelzebub citirt. Er zög' es deshalb vor, Alles beim Alten zu belassen. Und wenn er so gesprochen, sah er sich selbstzufrieden um und schloß behaglich und gebildet:O rühret, rühret nicht daran", denn er liebte das Einstreuen lyrischer Stellen, ganz besonders solcher, die seinem echt-berlinischen Hange zum bequem Gefühlvollen einen Ausdruck gaben. Daß er eben diesen Hang auch wieder ironisirte, versteht sich von selbst.

Van der Straaten, wie hiernach zu bemessen, war eine sentimental­humoristische Natur, deren Berolinismen und Cynismen nichts weiter waren, als etwas wilde Schößlinge seiner Unabhängigkeit und immer ungetrübten Laune. Und in der That, es gab nichts in der Welt, zu dem er, Tag oder Nacht, so beständig aufgelegt gewesen wäre, wie zu Bonmots und scherzhaften Repartis, ein Zug seines Wesens, der sich schon bei Vorstellungen in der Gesellschaft zu zeigen pflegte. Denn die bei diesen und ähnlichen Gelegenheiten nie ausbleibende Frage nach seinen näheren oder ferneren Beziehungen zu dem Gutzkow'schen Vanderstraaten, ward er nicht müde, prompt und beinahe paragraphenweise dahin zn beantworten, daß er jede Verwandtschaft mit dem von der Bühne her so bekannt gewordenen Manasse Vanderstraaten ablehnen müsse, 1. weil er seinen Namen nicht einwortig sondern dreiwortig schreibe,

2. weil er trotz seines Vornamens Ezechiel, nicht blos überhaupt getauft worden sei, sondern auch das nicht jedem Preußen zu Theil werdende Glück gehabt habe, durch einen evangelischen Bischof, und zwar durch den alten Bischof Roß, in die christliche Gemeinschaft ausgenommen zu werden, und

3. und letztens weil er seit längerer Zeit des Vorzugs genieße, die Honneurs seines Hauses nicht durch eine Judith, sondern durch eine Melanie machen lassen zu können. Durch eine Melanie, die, zu weiterem Unterschiede, nicht seine Tochter, sondern seineGemahlin" sei. Und dies Wort sprach er dann mit einer gewissen Feierlichkeit, in der Scherz und Ernst geschickt zu­sammenklangen.

Aber der Ernst überwog, wenigstens in seinem Herzen. Und es konnte nicht anders sein, denn die junge Frau war fast noch mehr sein Stolz als sein Glück. Aelteste Tochter Jean de Caparoux', eines Adligen aus der französischen Schweiz, der als Generalconsul eine lange Reihe von Jahren in der norddeutschen Hauptstadt gelebt hatte, war sie ganz und gar als das verwöhnte Kind eines reichen und vornehmen Hauses großgezogen und in all ihren Anlagen auf's Glücklichste herangebildet worden. Ihre heitere Grazie war fast noch größer als ihr Esprit und ihre Liebenswürdigkeit noch größer als Beides. Alle Vorzüge französischen Wesens erschienen in ihr vereinigt. Ob auch die Schwächen? Es verlautete nichts darüber. Ihr Vater starb früh, und statt eines gemuthmaßten großen Vermögens, fanden sich nur Debets über Debets. Und um diese Zeit war es denn auch, daß der zwei-