Heft 
(1880) 39
Seite
299
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§ ' A d u l L e r a.

, Novelle

von

Lheador Fontane.

Berlin.

I- (Lomnrercienrath Nan der Otraaten.

er Commercienrath Van der Straaten, Große Petristraße 4, war einer der vollgiltigsten Financiers der Hauptstadt, eine Thatsache, die dadurch wenig alterirt wurde, daß er mehr eines geschäftlichen als eines persönlichen Ansehens genoß. An der Börse galt er bedingungslos, in der Gesellschaft nur bedingungsweise. Es hatte dies, wenn man herum horchte, seinen Grund zu sehr wesentlichem Theile darin, daß er zu wenigdraußen" gewesen war und die Gelegenheit versäumt hatte, sich einen allgemein gütigeren Weltschliff oder auch nur die seiner Lebensstellung entsprechenden Allüren anzueignen. Einige neuerdings erst unternommene Reisen nach Paris und Italien, die übrigens niemals über ein paar Wochen hinaus ausgedehnt worden waren, hatten an diesem Thatbestande nichts Erhebliches ändern können und ihm jedenfalls ebenso seinen specifisch localen Stempel wie feine Vorliebe für drastische Sprüchwörter und heimisch geflügelte Worte von der derberen Observanz gelassen. Er pflegte, um ihn selber mit einer seiner Lieblingswendungen einzusührenaus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen" und hatte sich, als reicher Leute Kind, von Jugend auf daran gewöhnt. Alles zu thun und zu sagen, was zu thun und zu sagen er lustig war. Er haßte zweierlei: sich zu geniren und sich zu ändern. Nicht als ob er sich in der Theorie für besserungs-unbedürstig

gehalten hätte, keineswegs, er bestritt nur in der Praxis eine besondere

Benöthigung dazu. Die meisten Menschen, so hieß es dann wohl in seinen jederzeit gern gegebenen Auseinandersetzungen, seien einfach erbärmlich und so grundschlecht, daß er, verglichen mit ihnen, an einer wahren Engelgrenze stehe. Er sähe mithin nicht ein, warum er an sich arbeiten und sich Un­bequemlichkeiten machen solle. Zudem könne man jeden Tag an jedem

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