L'Adultera.
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undvierzigjährige Van der Straaten um die siebzehnjährige Melanie warb und ihre Hand erhielt. Einige Freunde beider Häuser ermangelten selbstverständlich nicht, allerhand Trübes zu prophezeien. Aber sie schienen im Unrecht bleiben zu sollen. Zehn glückliche Jahre, glücklich für beide Theile, waren seitdem vergangen, Melanie lebte wie die Prinzeß im Märchen, und Van der Straaten seinerseits trug mit freudiger Ergebung seinen Necknamen „Ezel", in den die junge Frau den langatmigen und etwas suspecten „Ezechiel" umgewandelt hatte. Nichts fehlte. Auch Kinder waren da: zwei Töchter; die jüngere des Vaters, die ältere der Mutter Ebenbild, groß und schlank und mit herabfallendem, dunklem Haar. Aber während die Augen der Mutter immer lachten, waren die der Tochter ernst und schwermüthig, als sähen sie in die Zukunft.
II. L'Adultera.
Die Wintermonate Pflegten die Van der Straatens in ihrer Stadtwohnung zuzubringen, die, trotzdem sie altmodisch war, doch an Comfort nichts vermissen ließ. Jedenfalls aber bot sie für das gesellschaftliche Treiben der Saison eine größere Bequemlichkeit, als die spreeabwärts am Nordwestrande des Thiergartens gelegene Villa.
Der erste Subscriptionsball war gewesen, vor zwei Tagen erst, und Van der Straaten und Frau nahmen wie gewöhnlich in dem hochpaneelirten Wohn- und Arbeitszimmer des Ersteren ihr gemeinschaftliches Frühstück ein. Von dem beinah unmittelbar vor ihrem Fenster aufragenden Petri-Kirchthurme herab schlug es eben Neun und die kleine französische Stutzuhr secundirte pünktlich, lief aber, in ihrer Hast und Eile den dumpfen und langsamen Schlägen, die von draußen her laut wurden, weit voraus. Alles athmete Behagen, am meisten der Hausherr selbst, der in einen Schaukelstuhl gelehnt und die Morgenzeitung in der Hand, abwechselnd seinen Kaffee und den Subscriptions-Ball-Bericht einschlürfte. Nur dann und wann ließ er seine Hand mit der Zeitung sinken und lachte.
„Was lachst Du wieder, Ezel", sagte Melanie, während sie mit ihrem linken Morgenschuh kokettisch hin und her klappte. „Was lachst Du wieder? Ich wette die Robe, die Du mir heute noch kaufen wirst, gegen Dein häßliches, rothes und mir zum Tort wieder schief umgeknotetes Halstuch, daß Du nichts gefunden hast als ein paar Zweideutigkeiten".
„Er schreibt zu gut", antwortete Van der Straaten, ohne den hingeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen. „Und was mich am meisten freut, sie nimmt es Alles für Ernst".
„Wer denn?"
„Nun wer! Die Maywald, Deine Rivalin. Und nun höre. Oder lies es selbst".
„Nein, ich mag nicht. Ich liebe nicht diese Berichte mit ausgeschnittenen Kleidern nnd Anfangsbuchstaben".