Heft 
(1897) 11
Seite
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Stechlin.

Tropfen weg, daß es nicht gleich anssieht wie 'ne Krankeilstube . . . Die Prinzessin . . . Aber rasch, Engelke, flink ... Ich lasse bitten, ich lasse die Frau Oberförsterin bitten."

Dubslav rückte sich, so gut es ging, zurecht; im übrigen aber hielt er's in seinen: desolaten Zustande doch für besser, in seinem Rollstuhl zu bleiben, als die Prinzessin durch ein Sicherheben und ihr Ent- gegengehcn mehr oder weniger feierlich zu begrüßen. Ermyntrud paßte sich seinen Intentionen auch an und gab durch eine hnldoolle Handbewegung zu verstehen, daß sie nicht zu stören wünsche. Gleich danach legte sie den rechten Arm auf die Lehne eines nebenstehenden Stuhles und sagte:Ich komme. Herr von Stechlin, nach Ihrem Befinden zu fragen; Katzler (sie nannte ihn, unter geflissentlichster Ver­meidung des allerdings plebejenmein Mann", immer nur bei seinen: Familiennamen) hat mir von Ihren: Unwohlsein erzählt und mir Empfehlungen ansgetragen. Ich hoffe, es geht besser."

Dubslav dankte für so viel Freundlichkeit und bat, das um ihn her herrschende Uebermaß von Un­ordnung entschuldigen zu wollen.Wo die weibliche Hand fehlt, fehlt alles." Er fuhr so noch eine Weile fort, in allerlei Worten und Wendungen, wie sie ihm von alter Zeit her noch geläufig waren; eigentlich aber war er wenig bei dem, was er sagte, sondern hing ausschließlich an dem halb Nonnen-, halb Heiligenbildartigen ihrer Erscheinung, das durch einen große::, aus mattweiße:: Kugeln bestehenden Hals­schmuck samt Elfenbeinkreuz daran noch gesteigert wurde. Sie mußte jedem, auch den: Kritischsten, ausfallcn, und Dubslav, der so sehr er dagegen ankämpfte ganz unter der Vorstellung ihrer Prinzessinnenschast stand, vergaß auf Augenblicke Krankheit und Alter und fühlte sich nur noch als Ritter seiner Dame. Daß sie stehen blieb, war ihm in: ersten Augenblicke störend, bald aber war es ihn: recht, weil ihm einleuchtete, daß ihrBild" erst dadurch zu voller Wirkung kan:. Ermyntrud selbst war sich all dessen auch voll bewußt und Frau genug, ans diese Vorzüge nicht ohne Not zu verzichten.

Ich höre, daß Doktor Sponholz, den ich als Arzt sehr schätzen gelernt habe, seine Kranken, wäh­rend er in Pfäffers ist, einen: jungen Stellvertreter anvertraut hat. Junge Aerzte sind meist klüger als die alten, aber doch weniger Aerzte. Man bringt außerdem dem Alter mehr Vertrauen entgegen. Alte Doktoren sind wie Beichtiger, vor denen man sich gern offenbart. Freilich können sie den geist­lichen Zuspruch nicht voll ersetzen, der in jeder ernsten Krankheit doch das eigentlich Heilsame bleibt. Aerzte selbst ich Hab' einen Teil meiner Jugend in einem Diakonissenhause verbracht Aerzte selbst, wenn sie ihren Berns recht verstehn, urteilen in diesen: Sinne. Sogenannte Medikamente sind und bleiben ein armer Notbehelf; alle wahre Hilfe fließt ans dem Wort. Aber freilich, das richtige Wort wird nicht überall gesprochen."

Dubslav sah etwas unruhig um sich her. Es war ganz klar, daß die Prinzessin gekommen war, seine Seele zu retten. Aber woher kan: ihr die

Wissenschaft, daß seine Seele dessen bedürftig sei? Das verlohnte sich denn doch in Erfahrung zu bringen, und so bezwang er sich und sagte:Gewiß. Durchlaucht, das Wort ist die Hauptsache. Das Wort ist das Wunder; es läßt uns lachen und weinen, es erhebt uns und demütigt uns, es macht uns krank und macht uns gesund. Ja es giebt uns erst das wahre Leben hier und dort. Und dies letzte höchste Wort, das haben wir in der Bibel. Daher nehm' ich's. Und wenn ich manches Wort nicht verstehe, wie wir die Sterne nicht verstehn, so haben wir dafür die Deuter."

Gewiß. Aber es giebt der Deuter so viele."

Ja," lachte Dubslav,und wer die Wahl hat, der hat die Qual. Aber ich persönlich, ich habe keine Wahl. Denn genau so wie mit dem Körper, so steht es für mich auch mit der Seele» Mau behilft sich eben mit dem, was man hat. Nehm' ich da zunächst ineinen armen, elenden Leib» Da sitzt es mir hier und steigt und drückt und quält mich, und ängstigt mich, und wenn die Angst groß ist, dann nehm' ich die grünen Tropfen. Und wenn es mich immer mehr quält, dann schick' ich nach Gransee hinein, und dann kommt Sponholz. Das heißt, wem: er da ist. Ja, dieser Sponholz ist auch ein Wissender und ein .Deuter'. Sehr wahrscheinlich, daß es klügere und bessere giebt; aber in Ermanglung dieser besseren muß er für mich ausreicheu."

Ermyntrud nickte freundlich und schien ihre Zu­stimmung ausdrücken zu wollen.

Und," fuhr Dubslav fort,ich muß es wieder­holen, genau so wie mit dem Leib, so mit der Seele. Wenn sich meine arme Seele ängstigt, dann nehm' ich mir Trost und Hilfe, so gut ich sie gerade finden kann. Und dabei denk' ich dann, der nächste Trost ist der beste. Den hat man au: schnellsten, und wer schnell giebt, der giebt doppelt. Eigentlich muß man cs lateinisch sagen. Ich rufe mir Sponholz, wenn ich seiner benötigt bin, weil ich ihn so ziemlich in der Nähe habe; den andern aber, den Arzt für die Seele, den Hab' ich glücklicher­weise noch näher und brauche nicht mal nach Gransec hineinzuschicken. Alle Worte, die von Herzen kommen, sind gute Worte, und wenn sie mir helfen (und sie Helsen mir), so frag' ich nicht viel, ob es so­genannte ,richtige' Worte sind oder nicht."

Ermyntrud richtete sich höher ans; ihr bis dahin verbindliches Lächeln war sichtlich in raschem Hin­schwinden.

Ueberdies," so schloß Dubslav seine Bekenntnis­rede,was sind die richtigen Worte? Wo sind sie?"

Sie haben sie, Herr von Stechlin, wenn Sie sie haben wollen. Und Sie haben sie nah, wem: auch nicht in Ihrer unmittelbarsten Nähe. Mich persönlich haben diese Worte während schwerer Tage gestützt und ausgerichtet. Ich weiß, er hat Feinde, voran in: eignen Lager. Und diese Feinde sprechen von ,schönen Worten'. Aber soll ich mich einen: Heilswort verschließen, weil es sich in Schönheit kleidet? Soll ich eine mich segnende Hand zurück- weisen, weil es eine weiche Hand ist? Sie haben Sponholz genannt. Unser Superintendent liegt