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Uelier Land und Meer.
außerhalb dieser Parallele. Wenn es nicht eitel und vermessen wäre, würd' ich eine gnäd'ge Fügung darin zu sehn glauben, daß er an diese sterile Küste verschlagen werden mußte, gerade mir eine Hilfe zu sein. Aber, was er an mir that, kann er an andern thun. Er hat eben das, was zum Siege führt; wer die Seele hat, hat auch den Leib."
Unter diesen Worten war Ermyntrud von ihrem Stuhl an Dubslav herangetreten und neigte sich über ihn, um ihm. halb wie segnend, die Stirn zu küssen. Das Elsenbeinkreuz berührte dabei seine Brust. Sie ließ es eine Weile da ruhen. Dann aber trat sie wieder zurück, und sich zweimal unter Hoheitsvollem Gruß verneigend, verließ sie das Zimmer. Engelke, der draußen im Flur stand, eilte vorauf, ihr beim Einsteigen in den kleinen Katzlerschen Jagdwagen behilflich zu sein.
Als Dubslav wieder allein war, nahm er das Schüreisen, das grad' vor ihm aus dem Kaminstein lag, und fuhr in die halb niedergebrannten Scheite. Die Flamme schlug aus und etliche Funken stoben. „Arme Durchlaucht. Es ist doch nicht gut, wenn Prinzessinnen in Oberförsterhäuser einziehn. Sie sind dann aus ihrem Fahrwasser heraus und greifen nach allem möglichen, um in der selbstgeschaffenen Alltäglichkeit nicht unterzugehn. Einen besseren Trostspender als Koseleger konnte sie freilich nicht finden; er gab ihr den Trost, den er selber braucht. Im übrigen mag sie sich aufrichten lassen, von wem sie will. Der Alte auf Sanssouci, mit seinem ,nach der eignen Fa^on selig Werdern, hat's auch darin getroffen. Gewiß. Aber wenn ich euch eure Faeon lasse, so laßt mir die meine. Wollt nicht alles besser wissen, kommt mir nicht mit Anzettelungen, erst gegen meinen guten Krippenstapel, der kein Wässerchen trübt, und nun gar gegen meinen kluger: Lorenzen, der euch alle in die Tasche steckt. An ihn persönlich wagen sie sich nicht 'ran, und da kommen sie nun zu mir und wollen mich umstimmen und denken, weil ich krank bin, muß ich auch schwach sein. Aber da kennen sie den alten Stechlin schlecht, und er wird nun wohl seinen märkischen Dickkops aussetzen. Auch sogar gegen Jppe-Büchsenstein und die Elfenbeinkugeln, die ja schon der reine Rosenkranz sind. Und es wird auch noch so was. Eigentlich bin ich übrigens selber schuld. Ich habe mir durch den prin- zeßlichen Augenausschlag und die vier Kindergräber im Garten imponieren lassen. Aber es fällt doch allmählich wieder ab von mir, und ein Glück, daß ich meinen Engelke habe."
Vor Erregung war er aus seinem Rollstuhl aufgestanden und drückte aus den Klingelknops. „Engelke, geh zu Lorenzen und sag ihm, ich ließ ihn bitten. Der soll dann aber heut auch der letzte sein. . . Denke dir, Engelke, sie wollen mich bekehren!"
„Aber, gnäd'ger Herr, das is ja doch das beste."
„Gott, nu fängt der auch noch an."
(Schluß folgt.)
R e g e n n a ch t.
von
Margarete Llosky.
Hm sternenlose Nacht seh' ich durchs Fenster,
^ Vom Giebel tropft im Takt der Regen schwer, Am düstern Himmel wirbelt wie Gespenster Der regenschweren Wolken wildes Heer.
Am Horizont steht schimmernd eine Wolke,
Sucht mit Gewalt der andern Ureis zu sprengen Und drängt sich rasch heraus aus einem Volke phantastischer Gebilde, die sie drängen.
Und wie sie schwankt und schwebt am Himmelsbogen, Da nimmt sie wunderbare Formen an —
Magnetisch fühlt mein Blick sich angezogen,
Bis er zuletzt sich nicht mehr lösen kann.
Ich seh' ein Weib mit fliegenden: Gewände, Fremdartig schön von Antlitz und Gestalt;
Sie fliegt dahin hoch überm dunkeln Lande,
Ls treibt sie überirdische Gewalt.
Lin dumpfes Sausen hör' ich aus der weite,
Und wie es brausend wächst und schwillt und steigt, Führt es die Zauberhafte in: Geleite,
Die fast sich ans des Hauses Giebel neigt.
Die Windsbraut ist's! — Die alten wilden Lieder Singt sie mit immer neuer Melodie:
Schrill hebt es an, erstirbt in: Säuseln wieder Und füllt die Luft mit fremder Harmonie.
Aus ihrer Brust ringt sich hervor ein Klagen —
Lin Iammerschrei — dann leises Weinei: nur —
Ich weiß, was diese Schmerzenslaute sagen:
So ewig ist ihr Leid wie die Natur!
Sie schwindet und zerfließt — ich lausche bange, wie in der Ferne sich verliert ihr Sang. —
Lintönig rauscht der Regen — lange — lange Erzittert nur in: Herzen noch der Klang.
berliner Hoswinier 1898.
Von
K. von Wilkau.
^tand die Berliner Hofsaison von 1897 unter den: auf- -E> brechenden Glanze der herannahenden Centenartage, der vordeutenden Stimmung seltener nationaler Weihestunden, so schien die diesjährige in ihren Anfängen von störenden Schatten nmwölkt. Bis in die ersten Tage des Januar hinein ließ der schwankende Gesundheitszustand der Kaiserin es sogar zweifelhaft erscheinen, ob die offizielle!: Festlichkeiten am Hofe, um die sich Monate hindurch das vielgestaltige gesellschaftliche Leben der in Berlin versammelten oberste!: Zehntausend des Reiches krystallisiert, auch diesmal sich wieder in der gewohnten Weise abwickeln würden. Februar wurde es, bis die Desiliercour vor dein Königsthrone die nenvorzustellenden Damen und Herren versammelte.
Trauerfälle, die in hohen Familien vorkamen, ließen manche glänzende Erscheinung, die man sonst zu treffen gewohnt war, vermissen. So fehlten, einerseits durch das Hinscheiden der Gemahlin des Reichskanzlers, andrerseits durch