Heft 
(1897) 12
Seite
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Melier Land und Meer.

herzlich schlecht war, sah nun selber, daß er sich in jedem Punkt übereilt hatte. Moscheles war doch immerhin ein richtiger Stellvertreter gewesen, und wenn er jetzt einen andern nahm, so traf das Sponholzen auch mit. Und das mocht' er nicht. In dieser Notlage sann er hin und her, und eines Tages, als er mal wieder in rechter Bedrängnis und Atemnot war, ries er Engelke und sagte:Engelke, mir is schlecht. Aber rede mir nich von dem Doktor. Ich mag unrecht haben, aber ich will ihn nicht. Sage, wie steht das eigentlich mit der Buschen? Die soll ja doch Herbst vorm Jahr Kossät Rohrbecks Frau wieder aus die Beine gebracht haben."

Ja, die Buschen..."

Na, was meinst du?"

Ja, die Buschen, die weiß Bescheid. Versteht sich. Man bloß, daß sie 'ne richtige alte Hexe is, und um Walpurgis is sie meistens weg. Un die Mächens gehen immer Sonnabends hin, ganz still und heimlich, wenn's schummert, und Uncke hat auch schon welche notiert und Anzeige gemacht. Aber sie streiten alle Stein un Bein, und ein paar haben auch schon geschworen, sie wüßten von gar nichts."

Kann ich mir denken. Und vielleicht war's auch nich so schlimm. Und dann, Engelke, wenn du meinst, daß sie so gut Bescheid weiß, da wär's am Ende das beste, du gingst mal hin oder schicktest wen. Denn deine alten Beine wollen auch nich mehr so recht, und außerdem is Schlackerwetter. Und wenn du mir auch noch krank wirst, so Hab' ich ja keine Katze mehr, die sich um mich kümmert. Woldemar is weit weg. Und wenn er auch in Berlin wäre, da hat er doch seinen Dienst und seine Schwadron und kann nich den ganzen Tag bei seinem alten Vater sitzen. Und außerdem, Krankenpflegen ist überhaupt was Schweres, und darum haben auch die Katholiken 'neu eignen Segen dafür. Ja, die verstehn es. So was verstehn sie besser als wir."

Nei, gnäd'ger Herr, besser doch wohl nich."

Na, lassen wir's. So was is immer schwer festzustellen, und weil heutzutage so vieles schwer festzustellen ist, haben sich die Menschen das an­geschafft, was sie 'ne ,Enquete' nennen. Keiner kann sich freilich so recht was dabei denken. Ich gewiß nicht. Weißt du, was es ist?"

Nei, gnäd'ger Herr."

Siehst du! Du bist eben ein vernünftiger Mensch und hast einfach ein Einsehn davon, daß es eigentlich am besten wäre, wenn ich zu der Buschen schicke. Was die Leute von ihr reden, geht mich nichts an. Und dann bin ich auch kein Mächen. Und Uncke wird mich ja wohl nicht aufschreiben."

Engelke lächelte:Na, gnäd'ger Herr, dann werd' ich man unten mit unse' Mamsell Pritzbur sprechen; die kann denn die lütte Marie 'rausschicken. Marieken is letzten Michaelis erst eingesegnet, aber sie war auch schon draußen."

Noch an demselben Nachmittag erschien die Buschen im Herrenhause. Sie hatte sich für den

Besuch etwas zurecht gemacht und trug ihre besten Kleider, auch ein neues schwarzes Kopftuch. Aber man konnte nicht sagen, daß sie dadurch gewonnen hätte. Fast im Gegenteil. Wenn sie so mit 'nein Sack über die Schulter oder mit 'ner Kiepe voll Reisig aus dem Walde kam, sah man nichts als ein altes, armes Weib; jetzt aber, wo sie bei dem alten Herrn eintrat und nicht recht wußte, warum man sie gerufen, sah man ihr die Verschlagenheit an, und daß sie für all und jedes Zu haben sei.

Sie blieb an der Thür stehen.

Na, Buschen, kommt man 'ran oder stellt Euch da ans Fenster, daß ich Euch besser sehn kann. Es ist ja schon ganz schummrig."

Sie nickte.

Ja, mit mir is nich mehr viel los, Buschen. Und nu is auch noch Spanholz weg. Und den neuen Berlinschen, den mag ich nicht. Ihr sollt ja Kossät Rohrbeckens Frau damals wieder aus die Beine gebracht haben. Mit mir is es auch so was. Habt Ihr Courage, mich in die Kur zu nehmen? Ich zeig' Euch nicht an. Wenn einem einer hilft, is das andre alles gleich. Also nichts davon. Und es soll Euer Schaden nicht sein."

Ick weet joa, jnäd'ger Herr. . . Se wihren joa nich. Un denn de Lüd', de denken ümmer, ick kann hexen un all so wat. Ick kann awer joar nix un hebb man blot en beten Liebstöckel un Wacholder un Allermannsharnisch. Un allens blot, wie't sinn muß. Un de Gerichten können mi nix dohn."

Is mir lieb. Und geht mich übrigens auch nichts an. Mit so was komm' ich Euch nich. Kann »Gerichte' selber nich gut leiden. Und nu sagt mir, Buschen, wollt' Ihr den Fuß sehn? Einer is genug. Der andre sieht ebenso aus. Oder doch beinah'."

Nei, jnäd'ger Herr. Loaten's man. Ick weet joa, wi dat is. Jhrst sitt et hier up de Bost, nn denn sackt et sich, un denn sitt et hier unnen. Un is all een un dat sülwige. Dat möt allens 'rut, un wenn et 'rut is, denu drückt et nich mihr, uu denu künnen Se wedder gapseu."

Gut. Leuchtet mir ein. »Et muß 'rut,' sagt Ihr. Und das sag' ich auch. Aber womit wollt Jhr's ,'rut'bringen? Das is die Sache. Welche Mittel, welche Wege?"

Joa, de Mittel hebb ick. Un hebben wi ihrst de Mittel, denn sinnen sich ook de Weg'. Ick schick' hüt noch Agnessen mit twee Tüten; Agnes, dat is Karlinen ehr lütt Deern."

Ich weiß, ich weiß."

Un Agnes, de fall denn unnen in de Küch' goahn, to Mamsell Pritzbur, un de Pritzbnrn de fall denn den Thee moaken för'n jnäd'gen Herrn. Morgens nt de Witte Tüt', un abens nt de blue Tüt'. Un ümmer man 'neu gestrichnen Eßlöffel vnll un nich to veel Woater; uwers bullern möt et. Un wenn de Tüten all sinn, denn is et 'rut. Dat Woater nimmt dat Woater weg."

Na gut, Buschen. Wir wollen das alles so machen. Und ich bin nicht bloß ein geduldiger Kranker, ich bin auch ein gehorsamer Kranker. Nun will ich bloß noch wissen, was Ihr mir da in Euern