Heft 
(1897) 12
Seite
215
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Tüten schicken wollt, in der weißen und in der ! blauen. Js doch kein Geheimnis?"

Nei, jnäd'ger Herr."

Na also."

In de Witte Tut' is Bärlapp un in de blue Tüt' is, Wat de Lüd' hier Katzenpoot nennen."

Versteh', versteh'," lächelte Dubslav, und dann sprach er wie-zu sich selbst:Nu ja, das kann schon helfen. Dazwischen liegt eigentlich die ganze Ge­schichte. Mit Bärlapppulver zum Einstreuen sängt die süße Gewohnheit des Daseins an und mit Katzen­pfötchen hört es auf. So verläust's. Katzenpfötchen sind ja die gelben Immortellen, woraus sie die schreck­lichen Kränze machen... Na, wir wollen sehn."

An demselben Abend kam Agnes und brachte die beiden Tüten, und es geschah, was beinahe über alles Erwarten hinaus lag: es wurde wirklich besser. Die Geschwulst schwand, und Dubslav atmete leichter. Dat Woater nimmt dat Woater", an diesem Hexen­spruch, den er, wenn er mit Engelke plauderte, gern citierte, richteten sich seine Hoffnungen und seine Lebensgeister wieder auf. Er war auch wieder für Bewegung und ließ, wenn es das Wetter irgendwie gestattete, seinen Rollstuhl nicht bloß auf die Veranda hinausschieben, sondern fuhr auch um das Rundell herum und sah dem kleinen Springbrunnen zu, der wieder sprang. Ja, es kam ihm vor, als ob er höher spränge.Findest du nich auch, Engelke? Vor vier Wochen wollt' er nich. Aber es gebt jetzt wieder. Alles geht wieder, und es ist eigentlich dumm, ohne Hoffnung zu leben; wozu hat man sie denn?"

Engelke nickte bloß und legte die Zeitungen, die gekommen waren, auf einen neben dem Frühstücks­tisch stehenden Gartenstuhl, zu unterst dieKreuz- Zeitung" als Fundament, aus diese diePost" und dann die Briefe. Die meisten waren offen, An­zeigen und Anpreisungen, nur einer war geschlossen, ja sogar gesiegelt. Poststempel: Berlin.Gieb mir mal das Papiermesser, daß ich ihn manierlich aus- schneiden kann. Er sieht nach was aus, und die Handschrift is wie von 'ner Dame, bloß ein bißchen Zu dicke Grundstriche."

Js am Ende von der Gräfin."

Engelke," sagte Dubslav,du wirst mir zu klug. Natürlich is er von der Gräfin. Hier is ja die Krone."

Wirklich, es war ein Brief von Melusine, samt einer Einlage. Melusinens Zeilen aber lauteten am Schluß:Und nun bitt' ich, einen Brief bei­legen zu dürfen, den unsre liebe Baronin Berchtes­gaden gestern aus Rom erhalten hat, also von Armgard, deren Glück ich aus diesem Brief und allerhand kleinen, ihrem Charakter eigentlich fern­liegenden Uebermütigkeiten erst so recht ersehe."

Dubslav nickte. Dann nahm er die Einlage und las:Rom, im März. Teuerste Baronin. An wen könnt' ich von hier ans lieber schreiben als an Sie? Vatikan und Lateran und Grabmal Pio Nonos, und wenn ich Glück habe, so bin ich auch noch mit dabei, wenn am Gründonnerstage

der große Segen gespendet wird. Man muß eben alles mitnehmen. Von Nom zu schwärmen, ist ge­schmacklos und nutzlos dazu, weil man an die Schwär­merei seiner Vorgänger doch nie heranreicht. Aber von unsrer Reise will ich Ihnen erzählen. Wir nahmen den Weg über den Brenner und waren am selben Abend noch in Verona. ,Torre di Londrcck. Was mich andern Tags in der Capuletti- und Montecchi-Stadt am meisten interessierte, war ein großer Parkgarten, der Mardino Giustiß mit über zweihundert Cypressen, alle fünfhundert Jahre alt und alle beinah' so hoch wie das Berliner Schloß. Ich ging mit Woldemar auf und ab, und dabei be­rechneten wir uns, ob wohl auch schon die schöne Julia hier aus und ab gegangen sei? Nur eins störte uns. Zn solcher Prachtavenue von Trauerbäumen gehört als Abschluß notwendig ein Mausoleum. Das fehlt aber. Im Mardino Giustck trafen wir Hauptmann von Gaza vom ersten Garderegiment, der, von Neapel kommend, bereits alle Schönheit Italiens gesehn hatte. Wir fragten ihn, ob Verona, wie einem beständig versichert würde, wirklich die Italienischste der italienischen Städte' sei? Hauptmann von Gaza lachte. ,Von Potsdam', meinte er, stann man viel­leicht sagen, es sei die preußischste Stadt. Aber Verona die italienischste? Nie und nimmer?

Aus Venedig an dieser Stelle nur einen kleinen Zug. Unser Hotel lag ganz in der Nähe einer mit Barock überladenen Kirche: San Mose. Daß es einen Sankt Moses giebt, war mir fremd und ver­wunderlich zugleich. Aber dann dacht' ich (und war beruhigt) an unsre Gendarmentürme!"

Florenz überspring' ich und erzähle Ihnen gleich lieber vom Trasimenischen See, den wir auf unsrer Eisenbahnfahrt passierten. Woldemar, ein ganz klein wenig ein Taschen-Moltke, mochte nicht darauf ver­zichten, auch den großen Hannibal auf Herz und Nieren zu prüfen, und so stiegen wir denn in der Nähe des Sees aus, an einer kleinen Station, die, glaub' ich, Borghetto-Tuoro heißt. Es war auch für einen Laien über Erwarten interessant und selbst ich, die ich gar keinen Sinn für derlei Dinge habe, verstand alles, fand mich in allem Zurecht. Ja, ich hatte das Gefühl, daß ich in diesem hochgelegenen Engpaß ebenfalls über die Römer gesiegt haben würde. Der See hat viele Zu- und Abflüsse. Einer dieser Abflüsse (künstlich; ein bloßer Kanal) nennt sich der ,Emissariusß was mich sehr erheiterte. Noch interessanter aber erschien mir ein andrer Fluß­laus, der, weil er am Schlachttage sich von Blut rötete, der ,Sanguinetto' heißt. Das Diminutiv steigert hier noch die Wirkung. Der See ist übrigens sehr groß, Zehn Meilen Umfang, und dabei flach, weshalb der erste Napoleon ihn auspumpen lassen wollte. Da hätte sich dann ein neues Herzogtum draus machen lassen..."

Schau, schau," sagte Dubslav,wer der blassen Comtesse mit den großen Augen das zugetraut hätte! Ja, reisen und in den Krieg ziehn, da wird man anders." Und er legte den Brief beiseite. Zu­gleich aber war ein stilles Behagen über ihn ge­kommen, und er überdachte, wie manche Freude