Heft 
(1897) 12
Seite
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Ueber Land und Weer.

Ja, es ging mir schlecht."

Gerade, wenn's einem schlecht geht, dann soll man Gott und Jesum Christum erkennen lernen, aber nicht die Buschen. Und sie soll dir Katzen- pfötchenthee gebracht haben und soll auch gesagt haben: ,Wasser treibt das Wasser? Das mußt du doch heraushören, daß das ein unchristlicher Spruch ist. Das is, was sie .besprechen* nennen oder auch ,böten*. Und wo das alles herstammt, . .. Dubs- lav, Dubslav ... Warum bist du nicht bei den grünen Tropfen geblieben und bei Spanholz? Seine Frau war eine Pfarrerstochter aus Kuhdorf."

Hat ihr auch nichts geholfen. Und nu sitzt sie mit ihm in Psäffers, einem Schweizerbadeort, und da schmoren sie gemeinschaftlich in einem Backofen. Er hat es mir selbst erzählt, daß es ein Back­ofen is."

Der erste Tag war immerhin ganz leidlich ver­laufen. Adelheid erzählte von Fix, von der Schmar­gendorfs und der Schimonski und zuletzt auch von Maurermeister Lebenius in Berlin, der in Wutz eine Ferienkolonie gründen wolle.Gott, wir kriegen dann so viel armes Volk in unfern Ort und noch dazu lauter Berliner Bälge mit Plieraugen. Aber die grünen Wiesen sollen ja gut dafür sein und unser See soll Jod haben, freilich wenig, aber doch so, daß man's noch gerade finden kann." Adelheid sprach in einem fort, derart, daß Dubslav kaum Zu Wort kommen konnte. Fing er aber an, so fuhr sie rasch dazwischen, trotzdem sie beständig versicherte, daß sie gekommen sei, ihn zu pflegen, und nur, wenn er auf Woldemar das Gespräch brachte, hörte sie mit einiger Aufmerksamkeit zu. Freilich, die italienischen Reisemitteilungen als solche waren ihr langweilig, und nur bei Nennung bestimmter Namen, unter denen Tintoretto" undSanta Maria Novella" obenan standen, erheiterte sie sich sichtlich. Ja, sie kicherte dabei fast so vergnügt wie die Schmargendorfs. Ein wirkliches, nicht ganz flüchtiges Interesse (wenn auch freilich kein freundliches) zeigte sie nur, wenn Dubslav von der jungen Frau sprach und hinzu­setzte:Sie hat so was Unberührtes."

Nu ja, nu ja. Das liegt aber doch zurück."

Wer keusch ist, bleibt keusch."

Meinst du das ernsthaft?"

Natürlich mein' ich es ernsthaft. Ueber solche Dinge spaß' ich überhaupt nicht."

Und nun lachte Adelheid herzlich und sagte: Dubslav, was hast du nur wieder für Bücher gelesen? Denn aus dir selbst kannst du doch so was nicht haben. Und von deinem Pastor Lorenzen auch nicht. Der wird ja wohl nächstens 'ne .freie Ge­meinde* gründen."

So war der erste Tag dahingegangen. Alles in allem, trotz kleiner Aergerlichkeiten, unterhaltlich genug für den Alten, der, unter seiner Einsamkeit leidend, meist froh war, irgend einen Plauderer zu finden, auch wenn dieser im übrigen nicht gerade der richtige war. Aber das alles dauerte nicht lange. Die Schwester wurde von Tag zu Tag recht­haberischer und herrischer und griff unter der Vor­

gabe,daß ihr Bruder anders verpflegt werden müsse", in alles ein, auch in Dinge, die mit der Verpflegung gar nichts zu thun hatten. Vor allem wollte sie ihm den Katzenpfötchenthee wegdisputieren, und wenn abends die kleine Meißener Kanne kam, gab es jedesmal einen erregten Disput über die Buschen und ihre Hexenkünste.

So waren denn noch keine acht Tage um, als es für Dubslav feststand, daß Adelheid wieder fort müsse. Zugleich sann er nach, wie das wohl am besten zu machen sei. Das war aber keine ganz leichte Sache, da dieKündigung" notwendig von ihr aus­gehen mußte. So wenig er sich aus ihr machte, so war er doch zu sehr Mann der Form und einer feineren Gastlichkeit, als daß er's zuwege gebracht hätte, seinerseits auf Abreise zu dringen.

Es war um die vierte Stunde, das Wetter schön, aber frisch. Adelheid hing sich ihren Pelz­kragen um, ein altes Familienerbstück, und ging zu Krippenstapel, um sich seine Bienenstöcke zeigen zu lassen. Sie hoffte bei der Gelegenheit auch was über den Pastor zu hören, weil sie davon ausging, daß ein Lehrer immer über den Prediger und der Prediger immer über den Lehrer zu klagen hat. Jedes Landfräulein denkt so. Die Bienen nahm sie so mit in den Kauf.

Es begann zu dunkeln, und als die Domina schließlich aus dem Herrenhause fort war, war das eine freie Stunde für Dubslav, der nun nicht länger säumen mochte, seine Mine zu legen.

Engelke," sagte er,du könntest in die Küche gehn und die Marie zur Buschen schicken. Die Marie weiß ja Bescheid da. Und da kann sie denn der alten Hexe sagen, lütt Agnes solle heut abend mit herauskommen und hier schlafen und immer da sein, wenn ich was brauche."

Engelke stand verlegen da.

Nu, was hast du? Bist du dagegen?"

Nein, gnäd'ger Herr, dagegen bin ich wohl eigentlich nich. Aber ich schlafe doch auch nebenan, und dann is es ja, wie wenn ich für gar nichts mehr da wär' und fast so gut wie schon abgesetzt. Und das Kind kann doch auch nich all das, was nötig is; Agnes is ja doch noch 'ne lütte Krabb'."

Ja, das is sie. Und du sollst auch in der andern Stube bleiben und alles thun wie vorher. Aber trotzdem, die Agnes soll kommen. Ich brauche das Kind. Und du wirst auch bald sehn, warum."

Und so kam denn auch Agnes, aber erst sehr spät, als sich Adelheid schon zurückgezogen hatte, nicht ahnend, welche Ränke mittlerweile gegen sie gesponnen waren. Auf diese Verheimlichung kam es aber gerade an. Dubslav hatte sich nämlich wie Franz Moor an den er sonst wenig erinnerte heraus­geklügelt, daß Ueberraschung und Schreck bei seinem Plane Mitwirken müßten.

Agnes schlief in einer nebenan aufgestellten eisernen Bettstelle. Dubslav, gerade so wie seine Schwester, hatte das etwas auffällig herausgeputzte Kind bei seinem Erscheinen im Herrenhanse gar nicht mehr gesehen; es trug ein langes himmel­blaues Wollkleid ohne Taille, dazu Knöpsstiefel