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Melier Land und Meer.
den Mannschaften znm Gebrauch ausgebreitet. Nachdem das Mundstück mit den Wagen durch drei miteinander verbundene Rohre in Verbindung gebracht ist, beginnt der Füllungsprozeß. Gefesselt wird der Ballon durch ein feines, sehr sorgfältig gearbeitetes und auf Zaghaftigkeit geprüftes Stahlkabel, das sich auf einer Dampfwinde, die sich aus einem Spezialwagen befindet, auf- und abwickelt und den Ballon bis zur gewünschten Höhe steigen läßt. Dieser Spezialwagen dient auch gleichzeitig zur Fortbewegung des Ballons im schwebenden Zustande. Der ganze Apparat der militärischen Lnftschisfahrt ist begreiflicherweise ziemlich kompliziert, und es würde zu weit führen, hier ans die Einzelheiten näher einzugehen, um so mehr, als jede Armee ihre Spezialapparate für Signal- und Kommunikationszwecke hat. Zu diesen gehören, wie schon oben erwähnt, der Scheinwerfer und das Telephon. Interessant ist, daß die Engländer einen Kalklichtprojektor verwenden, dessen Lichtquelle mittels des im Ballon befindlichen Gases nach Art des Drumontschen Kalklichtes erzeugt wird. Das Telephon ist schon seit Jahren ein unzertrennlicher Begleiter der Militärluftschiffer geworden und bietet das denkbar günstigste Kommunikationsmittel zwischen seinem oft bis 1000 Meter hohen Sitz in dem Luftschifferkorb und seinen Gefährten auf der Erde. Ebenso spielt die Photographie neuerdings eine wichtige Rolle in der militärischen Luftschisfahrt.
Bei der geringen Kenntnis, die man sich auf Grund der Geheimhaltung von diesem Zweige der Kriegführung zu erwerben vermag, ist es nicht möglich, Vergleiche zwischen den Leistungsgraden der Luftschiffercorps der kontinentalen Armeen zu ziehen. Wir wissen aber, daß die Lustschifferabteilung des deutschen Heeres in Lichterfelde, wenn man auch wenig über ihre stille Thätigkeit hört, nicht zurückgeblieben ist und im Kriegsfälle der Heeresleitung wichtige Dienste leisten wird. Ebenso schwer laßt sich sagen, welcher Art die Zukunft der militärischen Lnftschisfahrt sein wird, da fast jede Nation beständig an ihrer Vervollkommnung arbeitet, und das Problem des lenkbaren Luftschiffes unausgesetzt ingeniöse Köpfe beschäftigt. Obwohl es nicht authentisch bestätigt ist, soll Frankreich, das wir immerhin als den Urheber der militärischen Aeronautik anzusehen haben, bereits ein lenkbares Luftschiff besitzen, das mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 Knoten seinen Weg durch die Lüfte zu nehmen im stände ist. Es giebt jetzt keine Großmacht, die den Ballon nicht als einen nächtigen Faktor in der Kriegführung betrachtete, und man darf sich daher die Vorstellung erlauben, daß wir in einem zukünftigen europäischen Kriege, unter Voraussetzung der völligen Lösung des Problems der Lenkbarkeit, artilleristische Vorgänge in den höheren Regionen zu erwarten haben werden.
Die Hauptrolle, die dem Kriegsballon zufallen dürfte, wird die sein, Explosivkörper auf feindliche Festungen, Schiffe oder Gebäude zu werfen, wodurch, wenn man diese Perspektive weiter verfolgen will, eine gänzliche Umwälzung in der Fortifikation hervorgerufen werden würde, da man Bedacht darauf nehmen müßte, die Befestigungswerke gegen ein solches Vertikalfeuer zu schützen. Der Gedanke, daß etwas derartiges im Bereiche der Möglichkeit liegen könnte, ist allerdings sehr drückend. Alan darf aber auf der andern Seite auch wieder von der alle Schwierigkeiten überwindenden Technik erwarten, daß sie Mittel und Wege finden wird, solche Zerstörungswerkzeuge zu bekämpfen, wie sie es auch verstanden hat, in der maritimen Kriegführung den in der Torpedowaffe entstandenen neuen und furchtbaren Feind durch Einführung der leichten Schnelllade-Artillerie, Scheinwerfer und Torpedoschutznetze sich bis zu einem - gewissen Grade vom Halse zu halten und zu vernichten.
Der neue Personen-Hauptöahnhof in Dresden.
(Siehe die Abbildung Seite 248.)
sächsische Königsstadt ist durch den neuen Personen- Hauptbahnhof um ein großartiges Bauwerk bereichert worden, bei dessen Ausführung es den Schöpfern, den Bauräten Giese und Weidner zu Dresden, in wahrhaft bewundernswerter Weise gelungen ist, die rein praktischen Zwecke mit dem Gewände architektonischer Schönheit zu umkleiden. Der gesamte Ban zerfällt in drei Teile: die große, in Straßenhöhe aufgeführte Mittelhalle und zwei mehr als vier Meter über dem Straßenniveau sich erstreckenden Seitenhallen. Die 60 Meter weite und 186 Meter breite Mittelhalle hat ihren Eingang von dein der Prager Straße zngewendeten, von einer Kuppel gekrönten Empfangsgebäude, das reichen ornamentalen und figürlichen Schmuck aufweist. Das Hauptportal krönt eine von Professor Rentsch modellierte, in Stein ausgeführte Kolossalgruppe: die Saxonia mit Herrscherstab und Schild, flankiert von Allegorien der Wissenschaft und Technik. Zu beiden Seiten des Portals sind vom Bildhauer Stark geformte, in Bronze ausgeführte Jdealgestalten als Lichtträger angebracht. Im Innern ist die Mittelhalle mit den Wappen der bedeutendsten Städte des Königreichs Sachsen geschmückt, wozu sich noch eine weitere Verzierung mit Emblemen, Blumen- und Laub- gewinden in farbiger Allsführung gesellt.
Die Seitenhallen sind einfacher ausgestattet, doch trageil auch sie das Gepräge geschmackvoller Gediegenheit. Für die Bequemlichkeit der Reisenden ist aus das beste gesorgt. Jede der Hallen hat ihre eignen Warte- und Restaurationssäle, mit allem Komfort der Neuzeit ausgerüstet. Die Wartesäle der ersten und zweiten Klasse erhielten durch Fliesen aus der Meißener Porzellanmannfaktur eineil vornehmen künstlerischen Schmuck. Selbstverständlich mangelt es auch sonst nicht an allem, was der Bequemlichkeit des Reisenden dienen kann. Billetschalter, Gepäckräume, Garderobe- und Waschzimmer sind — zum Teil durch Fahrstuhlverbindung — leicht zu erreichen, und auch für den, der sich schnell rasiereil und frisieren lassen möchte, ist gesorgt. Ebenso findeil sich Wechselstuben lind allerlei Verkaufsstände, von Post- und Telegraph'enbureaux ganz zu schweigen. Sogar ein Bad kann man sofort an Ort und Stelle habeil.
Die Uranfänge des neuen, großartigen Verkehrsvermittlers in Elbflorenz reichen sieben Jahre zurück. Im Jahre 1891 bewilligte die sächsische Ständeversammlung für die Neuordnung der Dresdener Verkehrsverhäktnisse und die Allsführung der entsprechenden Bahnverbindungen rund 35 Millionen Mark, doch wurde diese Summe später auf 58 Millionen erhöht, damit für längere Dauer den Ansprüchen des immer wachsenden Verkehrs genügt werde. Hiervon entfallen auf den Personen-Hanptbahnhof, der sich mit seinen Anlagen 2,7 Kilometer weit erstreckt, 18 Millionen und auf das Empfangsgebäude nebst Zubehör 8 Millionen Mark. Die gesamte Anlage des neuen Personen-Hauptbahnhofes hat also 26 Millionen Mark erfordert. Die eigentliche Bauzeit betrug nur zweieinhalb Jahre; die oberste Leitung des gewaltigen Werkes lag in den Händen des Oberfinanzrats Peters.
Spruch.
Nicht ist das Bekannte, Alltägliche Dir stets am vertrautesten;
Oft redet das Unbekannte
Und Fremde am lautesten. A. Stier.