Teil eines Werkes 
Teil 2 (2003) Was können Kinder am Ende der Klasse 1?
Entstehung
Seite
72
Einzelbild herunterladen

kraft die Bedeutung des Vorwissens einschätzt und je eher sie der Meinung ist, dass Lerner keine(!) eigenen Lösungswege finden können, umso mehr Kinder ihrer Klasse haben diese Aufgabe richtig gelöst. Dabei hat die Bedeutung des Vorwissens mit 0,69 gegenüber 0,45 das weitaus größere Gewicht.

Die ersten beiden Teilaufgaben sind so einfach, dass sehr viele Kinder sie richtig gelöst ha­ben. Hier ist also nur sehr wenig Varianz vorhanden, die erklärt werden kann. Anders ist dies bei der Aufgabe Rechts und Links zu unterscheiden. Damit haben selbst noch manche Er­wachsene Probleme. Dass hier Kinder im Vorteil sind, deren Lehrkräfte ihnen keine eigenen Lösungswege zutrauen, liegt sicher daran, dass die Unterscheidung von Rechts und Links nur durch Unterweisung gelernt werden kann.

Das Rechnen und das Zahlbild Nur 11% der Varianz der Leistungen beim Addieren und Subtrahieren lassen sich durch Leh­rermerkmale erklären. Je mehr die Lehrerinnen und Lehrer die Kinder heute für wissbegieri­ger, selbstbewusster und neugieriger halten und meinen, dass heutige Kinder mehr Ideen und größere Vorkenntnisse haben, desto bessere Leistungen beim Rechnen zeigen die Schülerin­nen und Schüler ihrer Klasse. Die Korrelation beträgt 0,33. Addition und Subtraktion sind Hauptinhalt des Mathematikunterrichtes der ersten Klasse. Jede Lehrkraft ist bemüht, allen Kindern diese Fertigkeiten zu vermitteln. So wundert es nicht, dass nur ein geringer Teil der Varianz auf Lehrereinstellungen zurückgeführt werden kann. Zum Teil spielt aber offensichtlich doch der pädagogische Optimismus eine gewisse Rolle. Die durchschnittlichen Leistungen der Kinder bei den Aufgaben 3 und 4 lassen sich nicht durch Lehrermerkmale erklären, da fast alle Kinder unabhängig von ihrer Klassenzugehörig­keit diese Aufgaben richtig gelöst haben. Von der Varianz der durchschnittlichen Leistung der Schülerinnen und Schüler einer Klasse bei Aufgabe 7 lassen sich 13% erklären. Je mehr eine Lehrkraft meint, dass Lerner eigene Lösungswege finden können, desto mehr Kinder ihrer Klasse haben die Additionsaufgabe ohne Möglichkeit des Abzählens richtig gelöst(R= 0,36). Dieser Befund lässt vermuten, dass Lernen auf eigenen Wegen einigen Kindern hilft, bessere Rechenfertigkeiten zu entwi­ckeln. Die Leistungen bei Aufgabe 8 lassen sich weitaus besser erklären, weil diese für die Kinder am schwierigsten war. Hier werden 54% der Varianz aufgeklärt. Der Anteil der Kinder, die ohne Möglichkeit des Abzählens subtrahieren können, ist höher, wenn ihre Lehrerin bzw. ihr Lehrer

1. meint, dass die Kinder heute wissbegieriger, selbstbewusster und neugieriger sind und

mehr Ideen und größere Vorkenntnisse haben(Gewicht= 0,78), 2. noch nicht so oft eine erste Klasse hatte(Gewicht= 0,61) und 3. der Meinung ist, dass sprachliche Fähigkeiten für den Mathematikunterricht wichtig sind(Gewicht= 0,36).

Die multiple Korrelation beträgt 0,74. Hier lässt sich wieder die positive Wirkung des päda­gogischen Optimismus und die große Bedeutung der Sprache erkennen. Sprachliche Fähig­keiten sind bei der Subtraktion wichtiger als bei der Addition, weil die zu Grunde liegenden Handlungen komplexer sind. Während die Addition so visualisiert werden kann, dass beide Summanden und die Summe gleichzeitig sichtbar sind, ist bei der Ausführung der Subtraktion zunächst nur der Minuend, dann Subtrahend und Differenz und schließlich nur noch die Dif­ferenz sichtbar. Was jeweils nicht sichtbar ist, muss sich das Kind vorstellen. Dabei ist es sehr hilfreich, wenn das Kind seine Vorstellungen in Worte fassen kann. Dass Lehrkräfte, die noch nicht so oft eine erste Klasse hatten, bei der Vermittlung der Subtraktion erfolgreicher sind, hängt vielleicht damit zusammen, dass jüngere Lehrerinnen und Lehrer meist modernere Un­terrichtsmethoden verwenden.

72