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Jugendliche in der Epoche gesellschaftlicher Veränderungen : Problemwahrnehmung und -bewältigung bei jugendlichen Schülern in Potsdam und St. Petersburg / Hrsg.: Universität Potsdam, Institut für Psychologie, Professur Didaktik der Psychologie/Pädagogische Psychologie; Russische Staatliche Pädagogische Universität "A. I. Herzen" St. Petersburg, Psychologisch-Pädagogische Fakultät [Red.: Bärbel Kirsch ; Ludmilla Regusch]
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B. Kirsch& Ch. Wagner 1. Problemerleben und Coping in der Adoleszenz

Das Jugendalter ist eine Zeit, in der Belastungen gehäuft auftreten und in ihrer Wirkung kumulieren können. Die Verarbeitung der körperlichen Veränderungen zu Beginn der Pubertät, Schulwechsel und Schulabschluß, erste Liebesbeziehungen und die Ablösung vom Elternhaus, die Planung der Zukunft und die Entscheidung über den eigenen Lebensstil sind oft parallel zu meistern und können die adaptiven Ressourcen der Jugendlichen überfordern. Dem trägt die Belastungsforschung im Jugendalter Rechnung und fragt einerseits nach den Stressoren, mit denen Jugendliche in ihrer Entwicklung konfrontiert werden und andererseits nach jugendspezifischen Bewältigungsformen, die trotz vermehrter Anforderungen eine gesunde Entwicklung ermöglichen bzw. andererseits eine spezifische Vulnerabilität von Jugendlichen begründen.

Die Belastungsforschung im Jugendalter hat sich nach Seiffge-Krenke(1984, 1987, 1995) vor allen Dingen auf zwei Typen von Stressoren konzentriert: die nicht-normativen Stressoren oder kritischen Lebensereignisse wie beispielsweise der Tod eines Elternteils, die Scheidung der Eltern oder eine chronische Krankheit, die relativ selten auftreten, durch die Jugendlichen wenig kontrollierbar sind und hoch belastend wirken und andererseits die normativen Stressoren oder alltäglichen Probleme, die viele Jugendliche betreffen(Hauser& Bowlds 1990) und die besonders dann belastend sind, wenn sie gehäuft auftreten.

Bei der Klassifikation von Stressoren im Kindes- und Jugendalter unterscheidet Compas (1987) zwischen akuten und chronischen Reizen, die als Anforderung wirken und eine adaptive Reaktion verlangen. Akute Belastungen können Ereignisse sein, die mit jugendspezifischen Übergängen verbunden sind wie die erste Verabredung oder die erste Menstruation, ferner negative Ereignisse wie ein Krankenhausaufenthalt oder der Verlust eines Freundes, aber auch alltägliche Schwierigkeiten wie Schulprobleme. Neben den akuten Belastungen gibt es chronische wie beispielsweise die mütterliche Depression, die eigene Behinderung, eine chronische Krankheit wie auch belastende Umweltbedingungen, wie beispielsweise Deprivation oder soziale Benachteiligung. Die Ereignisliste von Compas ist die einzige, die kritische Lebensereignisse und alltägliche Stressoren verbindet. Sie erwies sich bei 12-20jährigen Jugendlichen mit den Event-Parametern Erwünschtheit, WONG: und Kausalität als relevant.

Seiffge-Krenke(1984, 1995) entwickelte eine eigene Klassifikation alltäglicher Stressoren von Jugendlichen im Alter von 12-18 Jahren, die sich mehr an Entwicklungsaufgaben des Jugendalters orientierte. Für sieben Lebensbereiche(Selbst, Gleichaltrige, heterosexuelle Beziehungen, Eltern, Schule, Freizeit und Zukunft) werden Probleme, Sorgen oder Befürchtungen angesprochen, für die entweder der Grad des Zutreffens(Seiffge-Krenke 1984) oder der Grad der Belastung(Seiffge-Krenke 1995) einzuschätzen war.

In einer repräsentativen Studie an über 3000 Jugendlichen aus verschiedenen europäischen Ländern hat Seiffge-Krenke(1994,1995) das Ausmaß alltäglicher Belastungen untersucht. Sie fand große Übereinstimmungen zwischen den Einschätzungen der Jugendlichen unterschiedlicher Kulturen hinsichtlich der Bedeutung der einzelnen Stressoren, was ihrer Meinung nach auf eine Universalität in der Wahrnehmung alltäglicher Stressoren in westlichen Kulturen hinweist. So nahmen zukunftsbezogene Sorgen, wie die Sorge um den zukünftigen Arbeitsplatz oder die Zerstörung der natürlichen Umwelt, einen vorderen Rangplatz ein. Auch Probleme mit der Schule sowie mit sich selbst waren für die