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Jugendliche in der Epoche gesellschaftlicher Veränderungen : Problemwahrnehmung und -bewältigung bei jugendlichen Schülern in Potsdam und St. Petersburg / Hrsg.: Universität Potsdam, Institut für Psychologie, Professur Didaktik der Psychologie/Pädagogische Psychologie; Russische Staatliche Pädagogische Universität "A. I. Herzen" St. Petersburg, Psychologisch-Pädagogische Fakultät [Red.: Bärbel Kirsch ; Ludmilla Regusch]
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B. Kirsch& Ch. Wagner 2. Potsdamer Untersuchungen

Die Potsdamer Jugendstudie untersuchte Problemerleben, Problembewältigungsstrategien und das Selbstkonzept jugendlicher Schüler im Zeitraum von 1991 1994. Sie hatte das Ziel, die Auswirkungen des Transformationsprozesses in Ostdeutschland auf die psychosoziale Entwicklung von Jugendlichen zu erfassen.

Forschungsbedarf bezüglich auftretender Probleme und der Art ihrer Bewältigung bei ostdeutschen Jugendlichen ergab sich nicht nur durch ihreÜbergangssituation zum Erwachsenenalter schlechthin, sondern in ganz spezifischer Weise noch verstärkt dadurch, daß sie mit der sogenanntenWende(1989/90) relativ plötzlich und in großem Umfang mit völlig neuen gesellschaftlichen Bedingungen konfrontiert wurden, für die ihnen zunächst keine adäquaten Bewältigungsstrategien zur Verfügung standen. Die Sozialisationsbedin­gungen für Jugendliche hatten sich in Ostdeutschland mit der Vereinigung stark gewandelt. In bezug auf den Bereich Freizeit ergab sich zwar eine größere Vielfalt an potenziellen Möglichkeiten, doch die territorialen verschlechterten sich, da z.B. die sportlichen Angebote nachließen, Jugendclubs geschlossen wurden, die Preise für kulturelle Veranstaltungen stark anstiegen und die Feriengestaltung nicht mehr gesichert war. Besonders gravierend machte sich für die Jugendlichen die im September 1991 erfolgte Schulumstrukturierung bemerkbar. In kürzester Zeit entstanden völlig neue Schularten mit einer neuen Schüler- und Lehrerzusammensetzung und einer ungewohnten Notengebung(Notensystem mit 6 Noten). Hinzu kam, daß die neuen Schulen für die Schüler oftmals außerhalb der Wohnumgebung lagen, was bedeutete, daß die Jugendlichen einerseits in die gleichaltrige Gruppe der neuen Schule eingebunden wurden, und andererseits der gewohnte Freundes- und Bekanntenkreis aus der näheren Wohnumgebung bestehen blieb. Auf diese Weise entwickelten sich zwar neue Bekanntschaften, aber Freundschaften gingen auch auseinander, weil keine gemeinsamen schulischen Erfahrungen mehr gemacht wurden.

Die Zukunft wurde unsicher. Schüler mußten erfahren, daß ihre Eltern oder nahe Verwandte arbeitslos wurden, ein Phänomen, das ihnen bis dahin unbekannt war.

Der gesellschaftliche Wandel in den neuen Bundesländern griff also tief in die verschiedenen Lebensbereiche der Jugendlichen ein. Diese Probleme waren Anlaß, der Wahrnehmung und Bewältigung solcher Probleme bei Jugendlichen nachzugehen. Eine Forschungsgruppe des Instituts für Psychologie der Universität Potsdam wandte sich 1991 der Untersuchung des Problemerlebens sowie der Problembewältigung ostdeutscher jugendlicher Schüler in der Stadt Potsdam im Alter von 12 18 Jahren zu und verfolgte diese Population bis 1994 (Kirsch et al. 1995). Die Untersuchung orientierte sich am theoretischen Konzept von Seiffge-Krenke(1984) und übernahm im Wesentlichen die von ihr entwickelten Erhebungsinstrumente.

2.1 Erhebungsinstrumente und Stichproben

2.1.1 Problemwahrnehmung

Zur Erfassung der alltäglichen Stressoren wurde der Problemfragebogen von Seiffge-Krenke in der Fassung von 1984(vgl. auch Jansen 1993) eingesetzt. Die 78 Items des Problemfragebogens waren sieben Bereichen(Selbst, Gileichaltrige, heterosexuelle

Beziehungen, Schule, Eltern, Freizeit und Zukunft) zuordenbar. Beispielitem:Der Zwang, in der Schule gute Noten zu erzielen, macht mir Angst

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