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"Kontinuität und Wandel der deutschen Führungsschicht : Ergebnisse der Potsdamer Elitestudie 1995" ; Zusammenstellung der Vorträge des Symposions vom 11. Oktober 1996 an der Universität Potsdam / Primärforscher: Wilhelm Bürklin
Entstehung
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während der Anteil an Personen aus der unteren Dienstklasse erkennbar stieg. Die FDP bewegte sich, obgleich immer noch eine der sozial am meisten disproportionalen Elitegruppen, ein großes Stück in Richtung geringerer sozialer Disproportionalität(Differenzindex 1981: 58; 1995: 46).

Veränderungen in der Zusammensetzung nach sozialer Herkunft hat es auch bei den Verwaltungsspitzen gegeben(Differenzindex 1981: 53; 1995: 46; nur West: 42). Auch in den Wirtschafts- und Wirtschaftsverbandseliten hat der Anteil von Personen mit Nichtdienstklasseherkunft zugenommen. Hier ging der Zuwachs zulasten des Anteils von Personen aus der oberen Dienstklasse. Der Ungleichheitsindex für Wirtschafts- und Verbandseliten sank von 51 und 52(1981) auf 42 und 37(1995). Schließlich hat sich die soziale Disproportionalität der Militäreliten aufgrund der Abnahme der stark überproportionalen Vertretung der unteren Dienstklasse als Herkunftsklasse deutlich verringert(1981: 68; 1995: 54).

An dieser Stelle soll noch ein Blick auf die Unterschiede geworfen werden, die sich für den Untersuchungszeitpunkt 1995 ergeben, wenn westdeutsche Bevölkerung und Elitenpositionen und gesamtdeutsche Bevölkerung und Elitepositionen miteinander verglichen werden. Tabelle 2 zeigt, daß bei Einschluß der ostdeutschen Eliten der Anteil von Personen in der Elite, die nicht der Dienstklasse entstammen, ansteigt. Besonders deutlich wird das bei der FDP, wo der Anteil an Personen mit Nichtdienstklasseherkunft bei Einschluß der Ostdeutschen Positionseliten um 6,7 Prozentpunkte steigt. Bei Bündnis 90/ Die Grünen steigt der Anteil dieser Personen auf einem hohen Ausgangsniveau um 5,3 Prozentpunkte. In allen anderen Sektoren fallen die Unterschiede geringer aus. So ist auch die geringere soziale Disproportionalität der Unionsparteiführungen im Vergleich zur SPD unabhängig von Vereinigungseffekten. Die westdeutsche Union weicht ebenso wie die gesamtdeutsche Union weniger von der Bevölkerung ab als die SPD. Die Gewerkschaften sind, dies sei schließlich noch erwähnt, einer der wenigen Sektoren, in denen die soziale Disproportionalität bei Hinzunahme der ostdeutschen Bevölkerung und Positionseliten zu- anstatt abnimmt(vgl. Abb. 1).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß es 1995 eine ausgewogenere Vertretung aller Herkunftsschichten innerhalb der Elitesektoren gab als 1981(vgl. Abb. 2). Elitesektoren mit stark überproportionaler Rekrutierung aus der Dienstklasse, besonders der oberen Dienstklasse, wie z.B. die Sektoren Wirtschaft und Wirtschaftsverbände, haben sich in deutlich höherem Maße Personen geöffnet, die keiner Dienstklasse entstammen, so daß sich hier Herkunftsunterschiede verringerten. Daß sich die soziale Disproportionalität der Gesamtelite dennoch kaum verändert hat, findet seine Erklärung in der Tatsache, daß der gesunkenen Disproportionalität in vormals stark disproportionalen Sektoren eine gewachsene Disproportionalität in den Sektoren gegenübersteht, die in der Struktur ihrer sozialen Herkunft der Bevölkerung am ähnlichsten waren oder sind(Gewerkschaften, SPD). Die deutsche Vereinigung beeinflußt alle genannten Veränderungen nur graduell, nicht jedoch qualitativ.

Vergleicht man die Unterschiede in der sozialen Herkunft zwischen den Sektoren 1981 und 1995 stellt man fest(siehe Abbildung 2), daß diese deutlich abgenommen haben. Extreme Außenseiterstellungen einer gesamten Sektorelite aufgrund ihrer sozialen Herkunft lassen sich 1995 nicht mehr feststellen. ‚Die Gewerkschaften weichen zwar immer noch deutlich von der durchschnittlichen Herkunftsverteilung in der Elite ab, haben sich diesem Durchschnitt aber im Vergleich zu 1981 erheblich angenähert(Differenzindex für die Abweichung vom Eliten­durchschnittsprofil 1981: 46; 1995: 31). Andere vormals stark vom Durchschnitt abweichende Sektoren, wie das Militär, haben sich dem Elitendurchschnitt angenähert. Im Falle des Militärs ist dies auf den deutlichen Rückgang der unteren Dienstklasse als Herkunftschicht zurückzuführen.