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Sozialstrukturelle Zusammensetzung von Elite und Bevölkerung Verteilung von Aufsstiegschancen in die Elite im Zeitvergleich. Kai-Uwe Schnapp
Einleitung
Die Erkundung der sozialen Zusammensetzung der Eliten kann als eines der Grundprobleme der Elitenforschung betrachtet werden. Ich werde in meinem Beitrag die soziale Rekrutierungsbasis der Eliten beschreiben, Gleichheit oder Ungleichheit der Chancenverteilung in der Bevölkerung zum Aufstieg in die Elite werden ans Licht geholt. Dies ist von_ ı Interesse, weil zwar soziale Ungleichheit auf der Basis unterschiedlicher individueller Leistung:"gesellschaftlich. akzeptiert ist, soziale Ungleichheit auf der Basis von Statuszuschreibungen jedoch nicht. Zugespitzt könnte gesagt werden, daß die” Legitimität von Elitenherrschaft in modernen funktional differenzierten Gesellschaftssystemen auch
davon abhängt, wie offen der Zugang zu Elitepositionen tatsächlich und nicht nur formal ist.
Neben diesen Fragen ist die Beschreibung sozialstruktureller Merkmale der Eliten auch deshalb von Interesse, weil diese Merkmale als Prädiktoren in weiterführenden Modellen dienen, die Werthaltungen oder politischen Einstellungen erklären sollen, die wiederum als Erklärungsvariablen für Handeln, in diesem Falle also Elitenhandeln dienen. Neben diesen dezidiert wissenschaftlichen Interessen besteht natürlich auch ein allgemeines Interesse an der Frage, wer denn nun nach Herkunft und Bildung, Parteizugehörigkeit und religiösem Bekenntnis diejenigen Damen und Herren seien, die die Geschicke der Gesellschaft in Händen halten.
In werde auf drei Fragestellungen eingehen: a) Wie unterscheidet sich die Elite(und die Sektoreliten) in ihrer sozialen Herkunft von der Bevölkerung? b) Wie unterscheiden sich die einzelnen Sektoreliten in der Struktur ihrer sozialen Herkunft voneinander? c) In welchem kausalen Zusammenhang stehen soziale Herkunft, Bildung und Elitestatus?
Klassifikation der Herkunftsgruppen
Im ersten Teil werde ich die Verteilung der Aufstiegschancen in die Eliten der Bundesrepublik Deutschland in Abhängigkeit von der sozialen Herkunft untersuchen. Soziale Herkunft, gemessen an der beruflichen Stellung des Vaters, wird dabei nach einer verkürzten Variante des Klassenschemas von Goldthorpe klassifiziert. Diese verkürzte Klassifikation enthält lediglich die Kategorien obere und untere Dienstklasse sowie als Zusammenfassung aller anderen Kategorien die„Nichtdienstklasse“.
Die Dienstklasse insbesondere aber die obere Dienstklasse wird in der Literatur, verwiesen sei hier lediglich auf Goldthorpe, als diejenige Klassen bezeichnet, aus der bevorzugt Personen in Elitenpositionen rekrutiert werden. Es kann deshalb theoretisch und empirisch begründet davon ausgegangen werden, daß eine auf der Basis des Dienstklassekonzeptes entwickelte Klassifikation rekrutierungsrelevante soziale Unterschiede hervorheben kann.
Durch die Beschränkung der Klassifikation auf zwei Dienstklassenkategorien und eine„Rest“kategorie wird ein äußerst sparsames Schema gewählt, daß eine übersichtliche nachvollziehbare Darstellung der Ergebnisse ermöglicht.
Schließlich können mit Hilfe des Bourdieuschen Kapitalsortenmodells die Chancenunterschiede, die zwischen den Klassen des Modells auftreten, theoretisch erklärt werden, denn die analysierten Klassen besitzen aufgrund beruflicher Stellung und Ausbildung je spezifische chancenrelevante Ausstattungen an sozialem, kulturellem und ökonomischem Kapital(vgl. Bourdieu 1983 und Herz 1990).
Um die Qualität der Kategorisierung zu prüfen, wurde einmal für die Verteilung der Herkunftsgruppen in Bevölkerung und Elite anhand des ausführlichen Berufsgruppenschemas des Fragebogens und zum anderen anhand des reduzierten Klassenschemas nach Goldthorpe(Dienstklasseschema) ein Differenzindex gebildet. Der Differenzindex der ausführlichen Klassifikation konnte mit der wesentlich reduzierten Klassifikation fast vollständig reproduziert werden. Damit kann von einer hohen Validität des reduzierten Dienstklasseschemas ausgegangen werden(Unterschiede zwischen den beiden Differenzindizes gehen vor allem auf das Konto der Personen mit Herkunft aus der Landwirtschaft, die im Dienstklasseschema alle der Nichtdienstklasse zugeordnet werden).