Teil eines Werkes 
Bd. 5 (1904) Nietzsche : mit einem Titelbilde / von P. J. Möbius
Entstehung
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Einleitung.

gressiven Paralyse darbot. Aber nun kommt erst die Schwierigkeit: wann hat es angefangen? Im Grunde wissen wir nie, wann die Paralyse anfängt. Wir wis­sen, dass deutliche Zeichen erst jahrelang nach dem Eindringen des Giftes auftreten, aber auch dieses In­tervall ist von sehr wechselnder Grösse, denn es kann zwei bis drei, es kann auch fünfundzwanzig Jahre dauern. Bei Nietzsche handelte es sich um etwa fünf­zehn Jahre. Aber deutliche Zeichen und erster Anfang, das ist nicht dasselbe. Wahrscheinlich liegen oft ge­nug Jahre dazwischen. Es kann sein, dass anatomische Veränderungen im Gehirn den Abweichungen des seeli­schen Lebens vorausgehen, und wer nimmt diese wahr, wenn sie klein sind? Oft mag durch längere Zeit nur in dem Gebiete, das wir moralisches, ästhetisches Ge­fühl und so weiter nennen, eine leise Aenderung vor­handen sein. Dahin reichen unsere Methoden der Unter­suchung nicht, und die Beobachtung der Verwandten und der Freunde thut es erst recht nicht. Dazu kommt die Verschiedenheit des Verlaufes: bald gehen die so­genannten körperlichen Zeichen(z. B. Veränderungen der Pupillen oder Zittern) um Jahre den ersten seeli­schen Störungen voraus, bald machen diese den An­fang; bald zeigen sich erst Stimmungsänderungen, bald leidet zuerst das Gedächtniss, und so weiter. Bei Nietzsche liegen noch besondere Schwierigkeiten vor. Eine Untersuchung durch einen wirklich Sachverstän­digen hat vor dem Eintritte in die Baseler Klinik nicht stattgefunden. Wir sind also auf seine eigenen Aus­sagen und die spärlichen Angaben Derer, die mit ihm