I. Der ursprüngliche Nietzsche.
bar haben sich die Vorzüge der Frau Nietzsche erst bei näherer Bekanntschaft kund gegeben. So erklärt es sich wohl, dass es einmal heisst: die Mutter macht einen beschränkten Eindruck, ein anderes Mal: Mutter lebt, wenig begabt. Nietzsche selbst nannte seine Mutter scherzend: kleine Thörin. Aber es ist von vorne herein wenig wahrscheinlich, dass eine schwach begabte Frau einen Sohn wie Nietzsche gehabt haben sollte. In der Biographie spielt die Mutter keine grosse Rolle, indessen geht doch aus einzelnen Aeusserungen hervor, dass in der kleinen Frau allerhand steckte. Zum Beispiele heisst es, als von den Masern der Kinder erzählt wird(I, p. 37):„Auch unsere Mutter verschönte uns die Zeit der Krankheit; zum Beispiel machte sie die Augen zu und beschrieb dann die schönsten Schweizerlandschaften, die sie vor sich sah. Oder sie recitirte uns eine Fülle von herrlichen erzählenden Gedichten und kleinen Theaterstücken, die sie auswendig konnte.“ Man darf daher annehmen, dass des Sohnes poetische Anlage und Phantasie der Mutter viel verdanken. Auch Deussen(Erinnerungen an Fr. Nietzsche 1901) nennt die Mutter eine Frau von seltener Frische und geistiger Regsamkeit, deren angeborener Frohsinn sich unter den herbsten Schickungen aufrecht erhielt.
Wenn nach allen Angaben nicht zu bezweifeln ist, dass die Mutter selbst im Wesentlichen gesund gewesen ist, so erheben sich doch Zweifel über die Gesundheit ihrer Familie. Zwar lauten die Aussagen der Biographie sehr unbedenklich: nur die Heiterkeit und
