II. Die Krankheit.
ein verunglückter Priester, er war das, was er bekämpfte. „Mit seinen untersten Instincten“ fühlte er das vielleicht.
Neuerdings ist als XV. Band der Werke eine Sammlung von Niederschriften veröffentlicht worden, aus denen Nietzsche die noch fehlenden Theile des Hauptwerkes herzustellen gedachte. Das Meiste scheint aus 1887, aus der Zeit der relativen Remission, zu stammen, manches ist vielleicht noch älter. Der Ton entspricht etwa dem in der„Genealogie“; wesentlich Neues wird nicht gegeben, und zu besonderen Bemerkungen ist für uns kein Anlass. Der Band enthält 515 Textseiten, man sieht also wieder, wie stark der Schreibetrieb in Nietzsche war.
Noch sind die„Dionysos-Dithyramben“ von 1888 zu erwähnen. Sie sind im Tone des Zarathustra gehalten, aber es mischen sich auch neue Töne ein, und eigenthümliche Ahnungen tauchen auf. Der kranke Dichter erreicht hier kurz vor dem Zusammenbruche seine Höhe: einzelne Strophen sind von geradezu wunderbarer Schönheit. Krankhafter Stolz, Euphorie und Wehmuth sind die Grundgefühle. Das erste Lied handelt„von der Armuth des Reichsten“(natürlich Nietzsches):
„Zehn Jahre dahin—,
kein Tropfen erreichte mich,
kein feuchter Wind, kein Thau der Liebe — ein regenloses Land...“
Wenn Nietzsche auch selbst die Ursache seiner VerJassenheit war, so quälte ihn doch offenbar das Gefühl