und klagend bei schlechten Wetteraussichten. Auf dieser Eigenschaft wird es beruhen, daß der Hahn den Völkern des Altertums auch sonst als Weissager heilig war. Der Turmhahn hat dieses Erbted übernommen; wird er doch nicht als bloßer Zierat, sondern in der Form der Windfahne angebracht, die ihn zum Wetterpropheten macht.
Aber nicht nur frühmorgens, auch tagsüber steht der Hahn seinen Mann. Stolz erhobenen Hauptes wacht er väterlich über seine Schar, warnt vor Gefahren, vermerkt alles besonders Auffällige und rügt Ungehöriges durch seine Stimme. Aus dieser Eigenschaft leitet sich die geläufige Redensart her: es kräht kein Hahn danach, wenn eine Sache als belanglos und nicht des Aufhebens wert gekennze.chnet "werden soll.
Vieler Eigenschaften wegen haben d.e Menschen ihn also zum Sinnbild gewählt und als sprechendes Abbild gestaltet: er scheucht die Finsternis und bringt das Licht, er ist ein Feuergeist im guten wie im bösen Sinne, Hüter der Ordnung, wachsamer Mahner und Prophet. Als das Christentum bei den germanischen Volksstämmen Eingang fand, paßt es sich in vielem den alten eingewurzelten Vorstellungen an. Man braucht die genannten sinnb.ldlich gefaßten Eigenschaften des Hahns nur flüchtig zu überdenken, um zu verstehen, wie sie sich zwanglos im Sinne der neuen Lehre umdeuten ließen. So wird begreiflich, daß sein Bildnis, zum krönenden Schmuck der Kirchtürme erhoben, in Städten und Dörfern seit Jahrhunderten weithin d,e Lande und die Menschen grüßt.
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Der 2 4. Juni 185 4. Durch Perlebergs Straßen bewegt sich ein eigenartiger Umzug. Geleitet von der Musik der Stadtkapelle tragen zwei kräftige Zimmerleute auf einer Bohle den kunstvoll geschmiedeten Hahn, der nach dem Wunsche der Einwohner künftig den neuerbauten Kirchturm zieren soll. Freudig erregt bewundern die Bürger an Türen und Fenstern den stolzen Kerl, und die Jugend der Stadt umjubelt das güldene Wundertier. Im Vorraume des Rathauses wird er dann niedergesetzt, und jedermann kann das in der Werkstatt des Kunstschlossermeisters H. Behrens geschaffene Werk betrachten: das eiserne Gerippe trägt einen wohlgeformten Panzer aus starkem Kupferblech, der von Malermeister K. Thilow noch schön vergoldet worden ist.
Inzwischen ist das schwierige und gefahrvolle Richten des Turmes soweit gediehen, daß das Auf bringen des Kaiserstieles mit der Helm Stange, der Kugel und dem neuen Hahn die mühsame Arbeit krönen kann. In die vom früheren Turm übernommenen Kugel sind zu den alten neue Urkunden und einige für jene Zeit merkwürdige Gegenstände für die Nachwelt hin- eingelegt und verschlossen worden. Nach altem Handwerksbrauch hält der bei dem Turm-Erbauer, Ratszimmermeister Stoßfalk, tätige Zimmerpolier Joh. Schultz die Weiherede. In üblicher Weise wird die glücklich
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