vollendete Arbeit gefeiert. Am späten Abend des Festtages grüßt der Hahn in 80 Meter Höhe die scheidende Sonne, und die laue sagendurchrauschte Johannisnacht breitet über ihn ihre Flügel.
*
Da stand er nun droben in blauer Luft, drehte sich“auf seinem langen Stelzbein und lugte hinaus ins Prignitzland. Eines seiner ersten Erlebnisse war ein recht merkwürdiges. Eines Tages, als die Bauleute gerade Mittagspause gemacht hatten, schwang sich ein 16jähriger Schlosserlehrling G. in unerhört tollkühnen Sätzen vom Baugerüst 'über die Kugel auf den schmalen Rücken des Hahnes und drehte sich mit; ihm vor den Augen der entsetzten Bürgersleute ein paar Male lustig im Kreise herum. Dies war das letzte Mal, daß Menschenhand sich mit ihm abgab. Fortan war er ein Eigener, auf sich selbst gestellt. Was hat er nicht alles gesehen, erlebt! Könnte er reden, er würde wohl erzählen wie sein süddeutscher Vetter, „der alte Turmhahn“ in Mörikes Gedicht:
Zu Cleversulzbach im Unterland Hundert und dreizehn Jahr ich stand,
Auf dem Kirchenturm ein guter Hahn,
Als ein Zierat und Wetterfahn.
In Sturm und Wind und Regennacht Hab ich allzeit das Dorf bewacht.
Manch falber Blitz hat mich gestreift,
Der Frost mein roten Kamm bereift,
Auch manchen lieben Sommertag,
Da man gern Schatten haben mag,
Hat mir die Sonne unverwandt Auf meinen goldigen Leib gebrannt.
So ward ich schwarz für Alter ganz,
Und weg ist aller Glitz und Glanz . . .
Freilich, so alt wie jener ward er nicht, schon im 63. Lebensjahre mußte er dahin. Aber Ungezählte haben zu ihm emporgeschaut. Den Einheimischen war der Kikeriki da oben ein vertrauter Geselle frühester Kindheit; in der ersten Heimatkunde haben die Lehrer der Jugend aus seinem Leben Dichtung und Wahrheit erzählt. Die Frimaner erprobten an ihm ihr mathematisches Können, indem sie aus Messungen auf dem Marktplatze die Höhe seines Standortes errechneten. Von fern grüßte er als erster Perleberger den, der in die Stadt kam; stand er doch im Knotenpunkt aller größeren Landstraßen, die hier zusammenlaufen. Gewohnheitsmäßig schauten die Bürger zu ihm, dem Wetterverkünder, auf; neugierig, sehnsüchtig oder besorgt, wohin er mit dem Schnabel weisen würde. Der Hahn und der Wind spielten in ihrer Vorstellungswelt überhaupt eine Rolle.