Heft 
(1956) 2
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keinem Bürger der Stadt mit Worten oder Werken zunahe getreten. Bei ihrer Abfahrt von der Burg hatte eine Adelsperson einenFreudenschuß ab­gegeben, und dieser setzte die Bürgerschaft derartig in Erregung, daß sie auf Zureden des Rates der Stadt sich zusammenrottete und gegen die Fest­teilnehmer vorging. Es kam zu blutigen Zusammenstößen, wobei mehrere Personen, unter anderm auch Frau Mette Wenckstern, lebensgefährlich verletzt wurden. Der Vorfall wurde dadurch bestraft, daß der Stadt ein Dritteil des Gerichts genommen wurde und später mit 500 Gulden zurück­gekauft werden mußte. Auch mit den Hof- und Spanndiensten scheint es nach den Urkunden gar nicht mehr zu klappen; denn die Bauern weigerten sich, solche noch zu leisten bzw. kamen ihren Verpflichtungen, Küchenholz und Jägerbrote abzuliefern, nicht mehr nach.

In, den Fischereigerechtsamen wollten die Fischer sich nicht mehr mit den ihnen zustehenden Gebührnissen begnügen, sondern verlangten beim Fischenmit grobem Garn die Hälfte des Gesamtertrages. Zum Fischen für die kurfürstliche Küche haben sie sich nicht bewegen lassen wollen, bis man siemit Spießen dazu gezwungen. Ebenso wollten sie die soge­nanntenHerrenfische, Hechte zum Beispiel, nicht der Burg überlassen. Stattdessen legten sie im Mühlenstrom Körbe und weigerten sich, wenn sie gefaßt wurden, die Buße von 18 Mark Perlebergs zu zahlen.

Der Dreißigjährige Krieg brachte neue Schrecken über die Stadt. Wochen­lang wurden die Bürger von Requisationen und Plünderungen der Sol­dateska verschiedenster Heerführer heimgesucht, und wenn endlich eine Truppe abzog, kamen andere und trieben es meist noch ärger. Am 15. Ok­tober 1638 rückten die Schweden in Lenzen ein und hausten entsetzlich, daß die Einwohner in die nahegelegenen Eichwälder nach dem Elbwerder und in die Kuhblank flüchteten, wo sie in Erdhöhlen hausend ihr Leben notdürftig fristen konnten und von Eichelbrot sich ernährten. Der Kantor Johannes Lamprecht und sieben Bürgersöhne, die geraubtes Vieh wieder abjagen'wollten, wurden von den Schweden auf der Jageier Feldmark erschlagen. Als die zurückgebliebenen Bürger der Raubgier der Soldaten nicht mehr nachkommen konnten, hat man fünfzig Personen auf grausame Art zu Tode gemartert und am 8. November die Stadt in Brand gesteckt, wobei 56 Häuser und viele Scheunen und Ställe eingeäschert wurden. In diese Flammen sollen 25 Kinder geworfen worden sein. Die Einwohnerzahl sank von 3000 auf 300 herab. Die Felder waren seit langem unbebaut und einige Dörfer der Umgebung verschwanden vom Erdboden, zum Beispiel Groß- und Klein-Sterbitz und Rudow sowie eine Ansiedlung zwischen Lenzen und Mödlich.

Im Jahre 1652 übernahm der damals schon 72jährige ehemalige holländische Admiral und Gouverneur Gysel van Lyr das Amt Lenzen und begann gleich mit dem Aufbau der Stadt. Sein Verdienst ist die Anlegung' der Hamburger- und Neustadtstraße mit ihrer Geradheit und Großräumigkeit.

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