Heft 
(1956) 2
Seite
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hier herauskommen müsse. Und wenn sie zu spät käme, dann müsse der Rat des Kreises die Verantwortung allein tragen! So, und damit hängte er an. Da standen nun die armen Kolleginnen von Abteilung Kultur! Ihr an­fängliches Lachen, das bis nach Mellen geklungen war und den Bürger­meister so in Zorn gebracht hatte, war zu einem betroffenen Schweigen geworden. Was tun? Sie schauten sich einigermaßen ratlos an. Was auch weiter nicht verwunderlich war, denn es ist immerhin ein sehr seltenes Vorkommnis, daß Riesensteingräber gestohlen werden. Schließlich rang man sich zu dem Entschlüsse durch, daß man zwar wohl nicht die Polizei bemühen werde, aber doch selbst hinausfahren müsse, um zu sehen, was da los sei. Ein Auto wurde angefordert und war in diesem dringenden Falle auch sofort zur Stelle. Zufällig war auch ein Kameramann da. Er bat, mitfahren zu dürfen, um dieses sensationelle Ereignis im Bilde festhalten zu können. Man stieg ein, und in stiebender Fahrt gings ab nach Mellen! Was man dort feststellte, weiß der geneigte Leser bereits. Nicht um einen Abbau handelte es sich, sondern, wie unsere Hinausbsorderten aufatmend feststellten, um den schon lange geplanten und nun endlich verwirklichten Aufbau! Die Wellen in Mellen legten sich. Alles klärte sich zum Guten. Der Herr Bürgermeister und seine Getreuen sahen ihre Aufregung sich in Befriedigung verwandeln, ja sogar in Stolz, als man ihnen sagte, daß ihr Grab nun noch mehr Anziehungskraft besäße und daß ihr Dorf nunmehr im Wettbewerb des nationalen Aufbauwerks wieder einen wesentlichen Pluspunkt aufzuweisen habe!

Wachsamkeit ist immer gut, auch wenn sie manchmal im blinden Eifer über das Ziel hinausschießt. Hier ist neben der Freude über die Wachsamkeit die Genugtuung darüber zu verbuchen, daß nach den Jahren der Zer­störung doch nun im Volke wieder fest der Gedanke der Erhaltung wurzelt und daß man nun auch wieder ein aufmerksames Auge für Dinge hat, die noch vor Jahren leicht über Bord geworfen wurden, weil man sie für unzeit­gemäß oder wegen mangelnden materiellen Wertes für gering und über­flüssig erachtete, die uns aber heute wieder wertvolle Zeugen kultureller Epochen der Vergangenheit und Denkmäler einstiger geschichtlicher Er­eignisse sein sollen.

Möge der dem Mellener Hünenbett beigefügte Stein, der den Anlaß zu dieser kleinen Geschichte gab, manch einen Wanderer zum Verweilen und zum besinnlichen Schauen nötigen! Für die Prignitz ist das Grab von Mellen das erste große Zeugnis, sozusagen das erste gewichtige Dokument menschlicher Besiedlung in unserer Heimat. Es entstand bereits in einer Zeit, als im fernen Paradies Adam und Eva erst das Licht der Welt erblick­ten. Es ist als Sippengrab und in seinem ehrwürdigen Alter aber auch gleichzeitig ein Zeugnis für die Tatsache, daß trotz der Vergänglichkeit des Menschen sein Werk, in Gemeinschaft und in einem guten Geist getan, Jahrtausende überdauern kann.