immer mehr Tagebauten eröffnet werden konnten. Dafür wurde die Nachfrage nach Arbeitern immer größer. Von weit und breit kamen die Menschen herbei, um im Gülitzer Braunkohlenrevier Arbeit zu finden. Dadurch wurden die Wohnungen so knapp, daß geradezu jedes kleinste Kämmerchen mit Grubenleuten belegt war. Aber diese Unterkünfte reichten noch nicht aus, so daß sich viele Arbeiter aus Holz und Busch selbst ein Unterkunft zimmerten.
Täglich rollten lange Wagenkolonnen auf fast unbefahrbar gewordenen Wegen bis weit über die Grenzen der Prignitz hinaus, um das kostbare Gut nach Karstädt, Perleberg, Pritzwalk, ja, sogar nach Parchim und anderen Orten in Mecklenburg zu bringen. Die Fuhrleute waren sehr aufeinander angewiesen. Nicht selten mußten sie sich gegenseitig beim Überwinden von Anhöhen oder grundlos verschlammten Schlaglöchern helfen. Die schlechten Wegverhältnisse gingen den Pferden sehr an die Knochen. So kam es oft genug vor, daß kostbare Tiere völlig erschöpft zusammenbrachen. Um da Abhilfe zu schaffen, wurden die Fuhrleute bei der Gruben Verwaltung vorstellig. Die Folge davon war, daß 1858—59 die Chaussee nach Karstädt und sechs Jahre später auch die Strecke nach Putlitz gebaut wurde. Diese Straße wurde bezeichnenderweise nicht über Gülitz, sondern durch die Putlilzer Heide gelegt. Die Gülitzer selbst fürchteten durch den Bau einer Straße durch ihren Ort „Schnorrer“ und „Zigeuner“. Erst 32 Jahre später wurde auch hier eine Straße in Richtung Lockstedt angelegt und zwar von der Stelle aus, wo das inzwischen erbaute große Verwaltungsgebäude an der Chaussee lag.
Inzwischen war man auch dazu übergegangen, Untertagebau vorzubereiten. In sogenannten Haspelschächte o ging das eine Zeitlang ganz gut, bis das Grundwasser in immer stärkerem Maße hervortrat. Darauf entschloß sich die Grubenverwaltung, zum wirklichen Untertagebau überzugehen. Das bedeutete natürlich eine grundlegende Umgestaltung des ganzen Betriebes. Aber immer noch blieb das Grundwässer ein schwieriger Gegner. Erst als der „Meisterkrischan“, der Maurer Schmidt aus Gülitz, den Schacht ausgemauert hatte und die Pumpenanlage funktionierte, konnte der Schacht in Betrieb genommen werden. Jetzt stiegen die ersten Bergleute mit der Grubenlampe auf der Brust auf Leitern in den Schacht. Anstelle der bisher verwendeten Karren und Bohlen wurden jetzt Schienen gelegt, auf denen die Kohle in Hunden zum Schacht gerollt, wurde.
Zur Lüftung waren eigens Luftschächte eingebaut worden. Gingen trotzdem die Grubenlampen aus, so waren schlagende Wetter (Kohlendioxyd) im Schacht, und die Kumpels mußten schleunigst die Strecke verlassen. Eine weitaus größere Gefahr bildete jedoch das Grundwasser.
1905 wurde dann der Abbau der Kohle in Gülitz aufgegeben. Die Förderung lohnte sich bei den Unkosten nicht mehr. Die Braunkohle aus Senftenberg war billiger. Allmählich füllte sich der Schacht mit Grundwasser, die
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