1371 „Wy herren to Potlest hebben empfangen to lene dat dorp to wendischen Panchow mit all siner tobehöringhe“
Die Zeiten änderten sich. Schneller rollte das Geld aus einer Hand in die andere. Auf allen Straßen wo die Heere gezogen kamen, brachten sie einen großen Kramverkehr mit sich. Das Geld verdrängte den Tauschhandel. In den Städten machte sich seine Anhäufung bemerkbar. Eine neue Volkskraft war aufgestanden gegen die lateinisch-geistliche Gelehrtenbildung. Die bürgerliche Gemeinschaft in den Mauern der Stadt war stärker geworden als der Ritter auf seiner Burg. Schulen. Apotheken, Bauhütten, Druckereien, Zunft- und Rathäuser zeugten von der Kraft städtischen Eigenlebens. Der Bürgerschaft kam nunmehr die Bildung zu. Früher war die Kirche der Platz mittelalterlicher Passionsspiele gewesen. Nun schlug man die Bühne im Freien auf. Bürgerliches Behagen an komischen Figuren und herzlichem Lachen machte den Teufel zum Intriganten der Volksbühne, die an Aufschneidereien, derben Späßen. Mißverständnissen und Scheltworten manches hergeben mußte. Perleberg aber war seit der Mitte des 14. Jahrhunderts zur Sprachstadt geworden.
Aus der Kraft bürgerlichen Wirklichkeitssinnes wurde die kirchliche Dogmatik überwunden. In Dürer, Hutten, Sachs offenbart sich der Durchbruch dieses Urwüchsigen und Neuen. Wieder füllt sich die Sprache mit reichen, klangvollen Vokalen, wie es in den Zeiten Hildebrands war:
„ik wallota sumaro er.ti wintro
sehstic ur lante“ (Ich wanderte Sommer und Winter sechzig außer Landes — aufgezeichnet um 800)
Mit welcher Wucht sind die Worte gesetzt, als sei es die Sprache des Lebens selbst. Wie unmittelbar wird es noch in der Zahl von Sommern und Wintern empfunden. Eine unerreichbare Dynamik erfüllt das gesprochene Wort. Jetzt hören wir ihren Nachklang:
1444 „Wy heyne winteruelt unde frederic clytzingh bekennen, dat ik met mynen medehulpern met zulf rechte grepen enen bur- ger von perleberge gihiten hans huwtenberg umme den willen, dat he druch ladebriwe to dalemyn, den wy naket ut toghen, ene gheyfelden met dorwen stricken unde nymen em syne kleder unde was he vurder meer hadde.“
Voll und warm flutet das Leben durch diese Sprache. Das sinnfällige Bild steht ijir näher als das fixierte Wort. Hier hört das Ohr, wo heute das Auge an schwarzen Buchstaben hängt.
1448 „deme Veremanne (Fährmann Bälow) des Jares islik (Jeder) uth deme Huse gewen schulen 4 stendalische Pennige“
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