Heft 
(1957) 11
Seite
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spielen sind mit der wärmenden Sonne und mit den ersten Staren prompt auch Murmeln und die Kreisel wieder da. Bei den Mädchen ist es vor allem der Ball, der in vielfachen Formen schönste Gelegenheit zu mannigfalti­gem Spiel gibt, hei den Jungen jedoch, und besonders bei denen auf dem Dorfe, war es einst derSchiewel, der als das beliebteste Spiel- und Kampfgerät in jedem Jahr zur Frühlingszeit Leben und Aufregung in die Jungen weit und auf die Dorf Straße brachte.

Was ist derSchiewel? Heute schreit die Kreissäge durch die Dorf stille, wenn das Brennholz gesägt wird. Noch vor einigen Jahrzehnten aber war es lediglich die viel stillere Bügelsäge, die, von Hand gezogen, im März auf den Holzplätzen der Bauernhöfe die langen, im Winter herangefahre­nen Kiefern-, Birken- oder sonstigen Stämme in kurzeDrümmel zer­schnitt. Da waren dann unsere Jungen bald zur Stelle! Mit sachkundigem Blick wählten sie und ließen sich unter dem Schmunzeln der Altenen sauber Schiew affschnien oder taten es wohl selbst. Diese Scheibe war nun einSchiewel! Wenn ein genügender Vorrat von diesen kreisrunden und handfesten Dingern da war, konnte das Spiel beginnen. Das war dann so um Ostern der Fall.

Schul- und andere Arbeiten waren gegen Abend fertig, und man konnte dasNa denn loop! der Mutter kaum abwarten! Da fegte dann gar bald der Schiewel, mit Anlauf und mit Schwung auf die Reise gebracht, über die Dorfstraße dahin. Die Gegenseite stoppte und erwiderte den Wurf. Oftmals verfehlte der Stopperknüppel die heranfegende Scheibe, Und so schoben sich die Fronten unablässig hin und her. Aufregung und Kampfes­eifer wuchsen. Die Mädchen standen an der Seite, die Hände unter der Schürze. Sie bewunderten einen besonders kraftvollen und gelungenen Wurf, aber sie kreischten und schimpften, wenn ein schlechter Werfer den Schiewel mitten zwischen ihre Schienbeine rasen ließ. So war das kein ganz ungefährlicher Sport, besonders dann nicht, wenn das Dorfpflaster mehr holprig als glatt war, der Schiewel sich dadurch seinen eigenen Weg suchte oder gar in viele Stücke zersprang. Die Alten, die interessiert vom Hoftor oder über den Zaun zuschauten, mußten dann hin und wieder zur Zügelung der Leidenschaft mahnen.

Aus diesen beiden wohl uralten Spielen der Jugend unserer Heimat demBallfangen der Mädchen und demSchiewelspöln der Jungen entwickelte sich dann auch wohl das Brauchtum vonBrutschiewel und Brutball. Die besagten jungvermählten Ehepaare hatten alles schon vor­bereitet, wenn mit dem beginnenden Frühjahr die Konfirmanden nach alter Tradition bei ihnen anrückten. Die junge Ehefrau hatte einen besonders schmucken Ball hergerichtet, ihn meist aus weichem, farbigem Leder kunstvoll genäht und ihn oft sogar zusätzlich mit bunten Troddeln ge­schmückt. DieseBrutbälle hatten gewöhnlich einen Durchmesser von ca. 20 cm, die Troddeln einen solchen von ungefähr 4 cm. Eigenartigerweise

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