Heft 
(1957) 11
Seite
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Beide, Mann und Frau, warfen dann alter Sitte gemäß das Erbetene hinaus: Die Frau den Ball hoch in die Luft, damit ihn die Flinkste fange, der Mann den Schiewel kunstgerecht die Dorfstraße entlang, damit ihn der Schnellste hasche!

Doch so leicht war beides nicht zu erwerben. An drei Sonntagen hinter­einander wiederholte sich das Spiel. Der Palmsonntag, der letzte vor Ostern und der Einsegnungstag für die älteren Konfirmanden, war der entscheidende. Hier wurden beide Gaben dreimal geworfen. Wer an den bisherigen drei Sonntagen jedesmal die Beute erwischt hatte, oder wer jetzt am heutigen Palmsonntag bei allen drei Würfen sie erwarb und damit Sieger blieb, der durfte die Trophäe voll sein eigen nennen und sie glück­lich mit heimnehmen.

Das junge Paar aber hatte sich mit diesem sinnvollen Brauch und mit dieser Gabe auf feine Art verabschiedet von der sorglosen Zeit der Jugend und von ihrem frohen Spiel. Das alles war ja nun für die Jungvermählten vorbei. Es hatte aber diese Gabe freudigen Herzens zubereitet und sie gern der Jugend überlassen, denn als frischgebackenes Ehepaar hatte es ja für diese entschwundene, unbeschwerte Jugendzeit etwas anderes und ganz köstliches eingetauscht: den geliebten Lebenskameraden!

Da darf man es nicht wagen, ihn für einen recht zweifelhaften Tausch wieder aufs Spiel zu setzen! So gibt man gern das Geforderte. Denn welcher Mann hätte schon Lust, für die warmherzige Frau einen kratzigen Stachelbeerbusch einzutauschen? Oder umgekehrt: Welche junge Frau möchte für den blutvollen, geliebten Mann einen hölzernen Zaunpfahl an der Seite haben?

Das Leben ist schön und reich in seinen Formen. Gerade in unserem alten dörflichen Brauchtum steckt viel Poesie und viel Sinnvolles. Damit es nicht ganz verloren geht, lohnt es sich, ihm nachzuspüren. Überall finden wir beim Umschauen Reste und Überliefertes. Wer es aufschreibt oder einem Schriftgelehrten mitteilt, tut ein gutes Werk an dem, was auch zur Erhal­tung desnationalen Kulturerbes gehört. Unsere Heimatzeitschrift wird es gerne abdrucken und damit das Gefährdete bergen, das Versinkende, sofern es wertvoll ist, am Leben erhalten und der Allgemeinheit Kunde geben von manchem Schatz, der noch im Volkstum schlummert.

Wie man ein altes liebes Bild voll Freude anschaut, wie man sich zu einem alten schönen Möbelstück oder einer anderen gediegenen Handwerksarbeit freuen kann, wie man ein altes Volkslied gern wieder hört, so ist auch das stille Entzücken und das feine Schmunzeln da, wenn man alte Ge­pflogenheiten betrachtet und wenn man in das vielfältige Brauchtum unserer Heimat hineinsinnen darf. Alle diese Dinge geben wertvolleren Lebensinhalt und erhöhen an ihrem Teil Glück und Daseinsfreude.

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