HANS KOCH, SCHWERIN
IZoygetwust
IN GROSS-BREESE
Erntezeit — Zeit der Reife und der Erfüllung, sonnendurchglüht, voller Lachen und Frohsinn — von vielen Dichtern besungen, Motiv vieler Maler. Bei unseren Vätern umgeben von vielen Sitten und Gebräuchen. Doch der rasende Lauf der Technik ging nicht an der Erntezeit vorüber. Wo noch vor 50 Jahren Sense hinter Sense durch das reife Korn rauschte und fleißige Fauenhände die Garben banden, wo vor 30 Jahren der Ableger seine Arme kreisen und seine Messer rattern ließ, da werfen heute die von Pferden oder Traktoren gezogenen Selbstbinder die fertigen Garben in lange Reihen. Ja, vielerorts schaufeln sich schon die Mähdrescher durch die Großflächen und liefern das gedroschene Getreide und das gebündelte Stroh, dem Bauern Zeit und Arbeit sparend.
Vieles hat sich geändert in den letzten fünf Jahrzehnten. Leichter ist die Arbeit dem Menschen geworden. Wenn auch noch heute die Erntezeit hohe Zeit ist und jeder Bauer sich freut über den Ertrag seiner Arbeit, so ist doch vieles verschwunden, was noch um die Jahrhundertwende der „Rog- genaust“ ihre eigene Romantik gab.
Wir wollen einmal zurückträumen in die Zeit unserer Großeltern und so eine „Aust“ miterleben.
An einem sonnigen Julitag, der Monat neigt sich schon dem August zu, da rollten gegen Abend viele Leiterwagen von Wittenberge her, die schattige Dorfstraße entlang. Sie waren dicht besetzt mit Männern, Frauen und Kindern. Jeder Bauer holte seine „Auster“ ab. Meistens waren es Arbeiter aus Wittenberge, die gezwungen waren, sich bei der Ernte zu ihrem kargen Lohn einige Taler hinzuzuverdienen. Auf dem Hofe angekommen, wurden die Erntehelfer von der Bäuerin herzlich willkommen geheißen. Es waren ja meistens alte Bekannte, Leute, die schon seit langen Jahren zur Ernte kamen. Oft hatte der Mann als „Knecht“ oder die Frau als „Deern“ auf dem Hofe „gedient“, nachdem sie aus der Schule waren und bevor sie in der Stadt Wittenberge in der Singer-Nähmaschinenfabrik, in der Naylor’schen Tuchfabrik, der späteren Norddeutschen Maschinenfabrik, einem 1945 demontierten Rüstungsbetrieb, der Herz’schen Ölmühle, dem Reichsbahn-
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