Heft 
(1957) 8
Seite
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ausbesserungswerk, kurzWerkstatt genannt, oder auf dem Bahnhof Arbeit fanden.

Da gab es ein Händeschütteln, ein Erzählen und Wundern:Ach nee, waern de Kinner bloß grot wordn.

Waren dann die Pferde in den Stall gebracht, ging es zu Tisch. Ein kräfti­ges Abendbrot stand bereit, für die schwere Arbeit des kommenden Tages die nötigen Kalorien zu geben. Schon einige Tage vorher war auf dem Hof ein Schwein und auch wohl ein Kalb geschlachtet worden. Heute morgen hatte man einen ganzen Ofen voll Kuchen, Brot und Stuten gebacken. Im Hühnerstall harrten einige alte Hühner ihrer Bestimmung, Frikassee zu werden. Im Keller standen gut verkorkt die Tonkruken mit Braunbier und die Flaschen mit dem Ernteschnaps, einem Korn, von dem der ganze Liter 90 Pfennig kostete.

Gastwirt Paul Gäde aus Wittenberge, der zu meiner Knabenzeit noch in der Bad-Wilsnacker-Straße geradeüber von der Ölmühle eine Gastwirtschaft betrieb, hatte mit seinem Planwagen das köstliche Naß auf die Dörfer gefahren.

Ja, es war angerichtet wie zu einer kleinen Hochzeit. Jede Hausfrau legte Wert darauf, ihre Helfer besonders gut zu bewirten, denn nichts war pein­licher, als wenn die Auster auf einer anderen Stelle erzählten, daß da oder dortschlecht tokokt wurd.

Allerdings hat es auch zu allen Zeiten Bäuerinnen gegeben, die einen schlechten Ruf in Kauf nahmen und dafür sparten. Daß deren Männer jedes Jahr neue Auster suchen mußten, ist wohl selbstverständlich. Keine Angst, ich nenne keine Namen, denn ich möchte ja noch öfter nach Groß- Breese kommen, und Beweise kann ich doch nicht antreten.

Nachdem man nun tüchtig zu Abend gegessen und auch wohl auf gutes Erntewetter noch einen kleinen Verdauungsschnaps hinter die Binde ge­gossen hatte, ging es früh schlafen. Es muß gar nicht so einfach gewesen sein, drei und vier Familien zusätzlich unterzubringen. Sicher würde sich manche Hausfrau von damals gut für das Wohnungsamt eignen.

Am nächsten Morgen ging es früh raus. Schon um 5 Uhr gab es Frühstück, Kaffee und frischen Kuchen, und um 6 Uhr war man auf dem Felde. Männer und Frauen gingen dabei gleich praktisch und geschmackvoll ge­kleidet. Die Frauen trugen eine langärmlige Mantelschürze,Austkleid genannt. Dieses praktische Kleidungsstück wird ja heute noch von unseren Ärzten und Laboranten getragen. Ob sie, die darauf so stolz sind, wohl wissen, daß sie damit ein typisch ländliches Kleidungsstück tragen? Auf dem Kopfe trugen die Frauen einenHelgoländer, auch Flucherhut oder Schiadderhut genannt. Ein Gebilde aus Fischbein, Leinen und Bändern beschattete Gesicht, Hals und Nacken seiner Trägerin. Die Männer trugen lange Stiefel, weiße Drillichhosen, ein weißes Leinenhemd und einen Strohhut.

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