Heft 
(1957) 8
Seite
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So ging das Mähen los. Drei oder vier Sensen hintereinander. Hinter jedem Mäher kamen zwei Frauen. Die erste nahm mit einer Harke das Schwad von dem noch stehenden Getreide ab und legte es in Garben, während die zweite die Garben band.

Es war gar nicht so einfach, als erster Mäher die Sense durch das Korn rauschen zu lassen, denn die folgenden Sensenmänner blieben dicht auf den Fersen. So ist das ja auch heute bei den großen Sportkämpfen, z. B. bei den Radrennfahrten. Meist war es der Knecht, der den Vormäher abgab. Er bestimmte das Tempo und bekam dafür wie auch die Deern, die seine Binderin war, ein Geschenk extra.

Bei dieser Gelegenheit sei auch die Entlohnung der Erntehelfer erwähnt. Jeder Mäher wird um die Jahrhundertwende täglich 3 Mark, jede Binderin 2,50 Mark erhalten haben, und das für einen Arbeitstag von 12 Stunden. Wenn es auch falsch ist, diese Bezahlung aus dem damaligen Preisgefüge herauszureißen und mit unseren heutigen Löhnen zu vergleichen, so steht doch fest, daß es recht dürftig war, was ein Mann, der 12 Stunden die Sense schwang, verdiente.

Um 9 Uhr gab es zum zweiten Male Frühstück. Jetzt wurden Wurst-, Speck- und Schinkenstullen verzehrt. Schnell war bei Scherzen nud Lachen die kurze Pause vorüber. Je höher die Sonne stieg, desto öfter machte die Austergesellschaft, wenn sie vom Ende des Schlages, der ja nur von einer Seite gemäht wurde, wieder zum Anfang ging, an der Braunbierkruke und an der Kornflasche halt.

Wenn vom Dorfe her die Mittagsglocke klang, dann setzte man sich mit gutem Appetit zur Mittagstafel. Ja, Tafel ist nicht übertrieben: Suppe gab es, Hühner- oder Rindfleischsuppe, Frikassee, Braten und Pudding. War das nicht ein Festessen?

Nachdem man während der heißesten Tageszeit eine Stunde geruht hatte, ging es wieder an die Arbeit. Wenn dann nach einer kurzen Vesperpause um 18 Uhr die Glocke zum Feierabend läutete, wußte bestimmt jeder, was er getan hatte. Wenn es damals auch keine Norm gab, so rechnete man doch auf jeden Mäher bei einigermaßen gutem Roggen 3 bis 3 14 Morgen pro Tag.

Seine eigenen Reize hatte so ein Feierabend im Dorfe in der Erntezeit. Durch die dörfliche Stille, die damals weder durch den Lärm vorbeihasten­der Autos noch durch das Geknatter ihrer Schalldämpfer beraubter Motor­radauspuffs und auch nicht durch das Gebrüll der mit Hoflautstärke spie­lenden Radioapparate gestört wurde, tönte der Klang der Dengelhämmer. Ich kann mir keine schönere Feierabendmelodie denken als diesen Klang. Wenn ich nicht so unmusikalisch wäre und komponieren könnte, gäbe es neben demHolzhackerdixi sicher schon eine Musik vom Sensendengeln. Ja das Sensendengeln gar nicht so einfach, kann ich der jungen Gene­ration, die jetzt in die Schule trabt, versichern. Als ich 1945 anflng, meine

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