Heft 
(1957) 8
Seite
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Molkenmarkt. Die ersten Fahrtteilnehmer sind eingetroffen. Aufgeregt und fröhlich wird geplaudert, begrüßt man sich, freut sich auf den vor uns stehenden Tag. Punkt 6 Uhr rollt der Bus ab. Mit Spannung und Ge­lächter, teils vor Freude, teils vor Schadenfreude über diejenigen, welche bestimmt falsch getippt haben, geht es auf einigen Irrfahrten durch die alte Havelstadt. Viele Omnibusse sind gleich uns unterwegs. Die Havel­städter sind reisefreudige Menschen! Im Vorbeifahren begrüßen wir unsere Sangesfreunde vom Brandenburger Postchor, die an einer Haltestelle ihren Bus erwarten. Vorbei an dem blauen Band der Havel bei Fohrde und Pritzerbe (wer ahnt wohl, daß wir unseren Heimatfluß am ersten Fahrtziel Wiedersehen werden?) geht es durch die Optikstadt Rathenow nach Westen. Chorleiter Vathke griff inzwischen zum Akkordeon, seinem ständigen Reisebegleiter, und gleich, ob alt, ob jung, alles sang tüchtig trotz der morgendlichen Hitze von reichlich 24 Grad unsere schönen Wanderlieder. Vor Tangermünde bogen wir nach Norden ab. Die ersten Jacken wurden ausgezogen. Mutters oder Frauchens Stullenpakete wurden nach Nahr­haftem gründlich besichtigt.

Da tauchte, aus der Ferne grüßend, die Pfarrkirche St. Laurentius und auf den Weinbergen hoch über der Havelstadt der ehrwürdige Dom im Blickfeld auf. Schnell war die Stadt Havelberg erreicht. Vor der HO- GaststätteWeltfrieden standen bereits zwei Omnibusse. Wir staunten nicht schlecht: Es war der Volkschor aus Brandenburg/Havel. Die Sanges­freunde hatten die Kühle unter den Bäumen vor dem Lokal der brütenden Hitze vorgezogen und labten sich beim Frühstück und kühlem Trünke. Wir wanderten zum Dom. Entsprechend einer Voranmeldung führte uns Herr Degebrodt, der Domküster, durch dieses herrliche Bauwerk. Ange­nehm, beinahe zu frisch, umfing uns die Kühle des gewaltigen Kirchen­schiffes. Aufmerksam verfolgten wir die Erläuterungen unseres Führers. Besonders prägten sich die hervorragenden farbigen Fensterscheiben in ihrer einmaligen Schönheit, die herrlichen Schnitzereien und Steinmetz­arbeiten in das Gedächtnis der Reiseteilnehmer ein. Leider hat der Krieg auch dem Dom manchen Schaden zugefügt. Vieles, so ein Großteil der kunstvollen Fenster, konnte durch Einmauerung damals geschützt werden. Besonders unter dem Bischof Johann III. Wöpelitz wurden dem Dom viele Kunstschätze zugeführt. Wöpelitz verfügte seinerzeit über große Ein­nahmen aus den Wallfahrten zur Wunderblutkirche Bad Wilsnack. Im Dom errichtete man ihm ein Grabmal.

Gleich nebenan suchten wir in den Nebenräumen des Domes dann die reichhaltige und wirklich sehenswerte Sammlung des Prignitz-Museums auf. Was hier, offen oder in Glasvitrinen, sehr sorgsam und liebevoll auf- gestellt, zur Schau geboten wird, überstieg unsere Erwartungen. Seien es die vielen vorgeschichtlichen Funde, an deren Ausgrabungen u. a. Frau Dr. Bohm, eine bekannte Heimatforscherin der Prignitz, beteiligt war,

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